Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
Drucker, auch keine
konkreten Hinweise auf eine Tatbeteiligung«, fasste der Oberkommissar zusammen.
»Aber alles in allem ist der Typ doch der Spießer vor dem Herrn. Schau dich
doch nur mal hier um.«
Lenz zuckte mit den
Schultern. »Wenn’s ihm gefällt. Wie es aussieht, wird er für die nächsten Jahre
ohnehin einen anderen Möbelstil zugewiesen …« Er stockte. »Gibt es hier
eigentlich keinen Keller?«, fragte er ins Nichts.
»Kannst du vergessen«,
erwiderte Hain kopfschüttelnd. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht und
mich daraufhin umgesehen. Das Haus ist nicht unterkellert.«
Lenz grunzte zufrieden
und lehnte sich mit dem Hintern an den Küchentisch, der leicht nachgab. Der
Kommissar erschreckte sich kurz und brachte seinen Körper wieder in eine
aufrechte Position.
»Verdammte Axt, jetzt
wäre ich beinahe mit dem Kopf aufs Gesicht gefallen«, flachste er. Dann jedoch
wurden seine Züge ernster. Er griff nach dem fleckigen, rot-weißen Tischtuch
und schlug es nach hinten. Beide Polizisten sahen die in das Gestell
eingearbeitete Schublade.
»Wie in alten Zeiten«,
konstatierte Hain.
Lenz trat einen Schritt
nach vorne, nahm eine der Gabeln, die noch immer auf der Tischplatte lagen, und
zog die Lade heraus. »Wow«, entfuhr es ihm beim Anblick des Inhalts.
Hain stellte sich neben
ihm auf und fing an zu grinsen. »Na, wenn das kein Volltreffer ist.«
Das, was der junge
Polizist als Volltreffer bezeichnete, waren etwa zwei Dutzend rote
Briefumschläge der gleichen Machart, wie Lenz den einen zwischen den Zeitungen
gefunden hatte. Alle trugen dieselbe geschwungene Handschrift, hatten keinen
Absender, waren an Roman Krug adressiert und an der Oberseite sauber
aufgetrennt.
»Gummihandschuhe wären
schön«, meinte Hain.
»Stimmt«, bestätigte sein
Chef, drehte sich um, öffnete eine Tür des Küchenschrankes und zog zwei Paar
original verpackte, rosafarbene Gummihandschuhe für den Hausgebrauch heraus.
»Die habe ich entdeckt, als ich vorhin die Schränke durchsucht habe.«
Hain warf einen
beleidigten Blick auf die Überzieher. »Das ist jetzt nicht dein Ernst?«
Lenz ließ sich von seinem
Einwand überhaupt nicht irritieren, sondern riss die erste Verpackung auf und
hielt seinem Kollegen den Inhalt hin.
»Wäre ich nur gestern
Abend ohne Telefon auf die Rolle gegangen …«
In der nächsten Minute
standen beide vor dem Tisch, trugen rosafarbene Haushaltsgummihandschuhe, und
hielten jeder einen roten Liebesbrief von Jutta Bade an Roman Krug in der Hand.
Der Inhalt war austauschbar, nur in den Variationen der Liebeserklärungen
zeigte die verheiratete Frau eine beachtliche Fantasie.
Ich berühre dein Herz mit samtener Haut,
las Lenz, oder, in einem
anderen Schreiben,
Ich atme dich mit meinem Herzen.
»Ganz schön schwülstig,
wenn du mich fragst«, resümierte Hain einen Brief.
»Stimmt. Sie scheint echt
bis über beide Ohren in ihn verknallt zu sein.«
»Bitte, Paul«, knirschte
der Oberkommissar, »der Mann ist ihr Bruder.«
Jeder der Polizisten
hatte etwa ein halbes Dutzend der immer sehr kurz gehaltenen Briefe gelesen,
als Hain ein von der Art her völlig anderes Schreiben in den
gummihandschuhbewehrten Händen hielt.
Mein geliebter Roman!
Nur noch ein paar Wochen, dann
sollte seine Frau gestorben sein und wir können es zu Ende bringen. Mit Brennen
im Herzen sehne ich den Tag herbei, an dem wir das, was unserer Mutter angetan
wurde, in Rechnung stellen können. Dieser Mann hat kein Recht, auch nur einen
Tag länger als nötig zu existieren, das wissen wir beide zu gut. Er hat so viel
Schuld auf sich geladen, dass es einige weitere Leben brauchen würde, um
genügend Zeit zur Reue und zur Demut zu haben. Aber die wird er nicht bekommen,
genauso wenig wie die Frau.
Ich habe seit zwei Tagen nicht
geduscht, um jeden erdenklichen Rest von dir an meinem Körper zu behalten und
zu konservieren. Ralf ist unausstehlich wie immer und will ständig mit mir
schlafen, aber das kann ich einfach nicht mehr, weil ich dabei sowieso immer
nur an dich denken müsste.
Wenn die Sachen erledigt sind,
die wir vorhaben, und wir wirklich darüber nachdenken, die von dir
angesprochene finale Lösung zu wählen, möchte ich es gern dort machen, wo unser
Leben begonnen hat. Das wäre das Schönste, was ich mir vorstellen kann, und
vielleicht würde sich der eine oder andere dann Gedanken darüber machen, warum
unsere Mutter
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