Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
was Genaues weiß und es
euch erzählen will.«
»Versprochen«,
versicherte Lenz ihm. »Müssen wir zu den zwei Toten noch irgendwas wissen?«
Gecks
griff sich an die Stirn. »Das hätte ich jetzt fast vergessen, dabei ist es der
einzige Grund, der mich heute hierher getrieben hat.« Er langte nach einem
Zettel auf dem Schreibtisch. »Diese Ruth Liebusch hat ein Girokonto, was an
sich ja nichts Erwähnenswertes ist. Darauf wird ihre Rente gutgeschrieben und
die Einnahmen, die sie aus der Vermietung von, wie ich es gesehen habe, sechs
Wohnungen erzielt.«
»Die Frau war
Großgrundbesitzerin?«, wunderte sich Thilo Hain und strich über seine Beule am
Kopf.
»Na ja«, widersprach
Gecks sanft, »als Großgrundbesitzerin würde ich sie nicht bezeichnen, aber die
Mieteinnahmen der sechs Wohnungen können sich schon sehen lassen. Nach meiner
Rechnung sind es, inklusive der Nebenkosten natürlich, über 4.300 Euro, die jeden
Monat auf ihr Konto geflattert sind, zusätzlich zu ihren rund 1.500 Euro
Berufsunfähigkeitsrente.« Gecks holte tief Luft.»Aber um die Einnahmen geht es
mir gar nicht.«
Er reichte Lenz den
Zettel, den er in der Hand gehalten hatte. »Hier gibt es neben dem ganzen
normalen Kram wie Strom und Telefon, der vom Konto abgebucht wird, einen
Dauerauftrag, der mich stutzig gemacht hat. Sie hat bis vor zwei Monaten
regelmäßig 250 Euro an eine Petra Soffron überwiesen. Und das hat dann einfach
aufgehört.«
»Was hat dich daran
stutzen lassen?«, wollte Lenz wissen.
Gecks lächelte. »Der
Verwendungszweck. Der Dauerauftrag lief unter dem Verwendungszweck ›bekannt‹.
Und wann immer ich auf einem Kontoauszug ›bekannt‹ lese, werde ich ganz
wuschig.«
»Warum denn das?«, fragte
Uwe Wagner skeptisch.
»Weil jemand, der Geld so
überweist, in der Regel etwas zu verbergen hat, ihr Superbullen.«
»Hm«, machte Lenz,
ebenfalls ein bisschen skeptisch. »Hast du schon herausgefunden, wer diese
Petra Soffron ist?«
»Wer sie ist, kann ich
dir nicht sagen, aber was sie ist, das hab ich rausgefunden.«
»Und?«
»Sie ist vor drei Monaten
gestorben.«
»Wie?«
Gecks winkte ab.»Völlig
unspektakulär. Ihr Arzt hat mir erzählt, dass sie schon im Herbst des letzten
Jahres einen ersten Schlaganfall hatte, von dem sie sich nie ganz erholen
konnte. Dann, vor etwa drei Monaten, kam der nächste, der ihr den Rest gegeben
hat. Und es gibt keinen Zweifel, dass sie an diesem Schlaganfall, und nur
daran, gestorben ist.«
»Weißt du schon, was sie
mit Ruth Liebusch zu tun gehabt hat? Oder wofür die Kohle gewesen ist, die sie
ihr überwiesen hat?«
Gecks griff
kopfschüttelnd nach seiner Jacke, die über dem Stuhl hing, und ging Richtung
Tür. »Ich habe zwar überhaupt nicht geschlafen, aber das ging dann doch nicht
so weit, dass ich die Nacht hier verbracht hätte. Also, Kollegen, ein bisschen
was müsst ihr schon noch selbst tun. Und der Letzte von euch macht hier das
Licht aus und schließt ab.«
Damit reichte er jedem
die Hand und verließ ohne ein weiteres Wort sein Büro.
»Was
fehlt ihm?«, wollte Uwe Wagner wissen, nachdem sie in Hains Büro umgezogen
waren.
»Er hat Prostatakrebs«,
antwortete Lenz mit belegter Stimme.
»Aber wie es aussieht,
hat man den Tumor relativ früh erkannt.«
»Scheiße«, fluchte der
Pressesprecher.
»Morgen wird er operiert,
du hast es ja gehört«, fuhr Lenz fort.
Wagner goss ein Glas
Wasser ein und ließ sich wieder in den Stuhl fallen. »Ich hab erst neulich mit
meiner Liebsten zusammengesessen und darüber geredet, wie es wäre, wenn einem
von uns das passieren würde. Und richtig witzig war das Gespräch nicht.«
»Was
soll daran schon witzig sein«, wollte Hain wissen.
»Witzig ist daran gar
nichts, Thilo. Wichtig hingegen ist allerdings, dass man bis zu dem Tag der
Diagnose gelebt hat. Richtig gelebt. Und da, das ist uns klar geworden, haben
wir noch ein paar Defizite aufzuarbeiten.«
Lenz sah ihn aufmerksam
an. »Die da wären?«
»Zum Beispiel machen wir
zu wenig Urlaub. Und wenn wir wegfahren, dann kommen wir nur ganz schwer dort
an, wo wir sind, weil uns immer wieder Sachen beschäftigen, die mit der Arbeit
zu tun haben.«
»Und was wollt …«
Der Hauptkommissar wurde
vom Klingeln seines Mobiltelefons unterbrochen.
»Ja, Lenz«, meldete er
sich.
»Ich bin’s, Ludger.«
»Hallo, Ludger. Zu dir
wollte ich eh gleich kommen.«
»Mach es am besten
sofort«, erwiderte der
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