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Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall

Titel: Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P Gibert
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mit der
Elisabeth-Consbruch-Straße nichts anfangen, sodass die Polizisten erst nach
einigem Suchen das Schild mit der Aufschrift ›Bundeswehrfachschule Kassel‹
entdeckten.
    »Hast du gewusst, dass es
bei uns in Kassel eine Bundeswehrfachschule gibt?«, fragte Hain seinen Chef.
    »Woher denn? Vielleicht
haben die ganz neu aufgemacht, was weiß denn ich.«
    Der Oberkommissar stellte
den Mazda auf einen der vielen Parkplätze in der Nähe des Hauses und stieg aus.
»Meine Güte, dröhnt mir die Birne«, ließ er Lenz wissen.
    »Soll ich dich lieber
nach Hause bringen?«
    »Nein, lass mal. Es wird
schon gehen.«
    Ein netter junger Mann in
grüner Uniform brachte sie in den dritten Stock und geleitete sie zu einer Tür
am Ende des langen, frisch gebohnerten Korridors. »Hier finden Sie Oberleutnant
Schlieper. Einen schönen Tag noch, meine Herren.«
    Lenz klopfte und musste
ein paar Sekunden warten, bis aus dem Innern ein lautes und klares »Herein« zu
hören war. Er trat ein, hielt Hain die Tür auf, drückte das leichte Holzblatt
wieder zu und stellte sich und seinen Kollegen vor.
    »Sie müssen sich keine
Mühe machen, meine Herren«, erklärte der groß gewachsene, graumelierte und
sympathisch wirkende Mann hinter dem Schreibtisch, der nun aufstand und die
Kripobeamten mit einem festen Händedruck begrüßte. »Ich habe mit Ihrem Besuch
gerechnet.«
    Er legte eine Akte zur
Seite und deutete auf die beiden Stühle vor dem Tisch. »Bitte, nehmen Sie doch
Platz. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Ein Glas Wasser vielleicht,
gegen die Hitze?«
    Die Polizisten nahmen das
Angebot freudig an.
    »Ich war es nicht«, erklärte
er seinen Besuchern, nachdem er sie mit Getränken versorgt und sich wieder
gesetzt hatte. »Ich habe die beiden nicht umgebracht.«
    »Zunächst«, begann Lenz
behutsam, »sind wir nicht hier, um Sie als Beschuldigten zu vernehmen, Herr
Schlieper. Sie sind einer von vielen, die auf einer Liste stehen, weil Sie
damals, also in dem Zeitrahmen, in dem die ermordeten Erzieher Bauer und
Liebusch im zweiten Pavillon des Karlshofs gearbeitet haben, dort untergebracht
waren.«
    Der Soldat nickte. »Das
stimmt. Ich war von 1971 bis 1977 dort.«
    Lenz sah sich in dem
hellen, freundlich eingerichteten Büro um, bevor er vorsichtig und mit Bedacht
seinen nächsten Satz formulierte. »Es ist sicher ein weiter und oft nicht
einfacher Weg vom Karlshof in Wabern bis in dieses schöne Büro hier in Kassel
gewesen, Herr Schlieper.«
    »Da haben Sie recht, Herr
Kommissar. Und ich bin sicher, wenn meine Vorgesetzten von meinem Aufenthalt
dort Kenntnis erlangen, habe ich die längste Zeit hier zugebracht.«
    »Sie haben ihn bei Ihrer
Einstellung verschwiegen?«, fragte Lenz und fühlte sich dabei ein wenig unwohl.
    Schlieper nickte. »Aber
ich fürchte, dieses Fehlverhalten wird mir, auch wegen der jetzigen Ereignisse,
noch auf den Kopf fallen, um es salopp auszudrücken.«
    »Ist das nicht ein
bisschen lang her, um Ihnen heute daraus einen Strick drehen zu können?«,
schaltete Hain sich in das Gespräch ein.
    »Das hätte vielleicht
ohne die Grenzöffnung ’89 so sein können, ja. Aber im Zuge der Eingliederung
der Soldaten der ehemaligen DDR mussten auch wir unterschreiben, dass wir nie
für die Stasi gearbeitet und bei der Bewerbung und der Einstellung immer bei
der Wahrheit geblieben sind. Und das stimmt ja in meinem Fall leider nicht
ganz.«
    Lenz schüttelte kaum
merklich den Kopf. »Ihre damalige Bewerbung geht uns nichts an, Herr Schlieper,
und von uns wird auch niemand erfahren, dass Sie ein paar Jahre im Karlshof
verbracht haben. Wobei ich allerdings nicht ganz nachvollziehen kann, dass
diesem Umstand seinerzeit eine so große Bedeutung beigemessen wurde.«
    Schlieper ließ sich in
seinen Stuhl zurückgleiten, entspannte sich ein wenig und nahm einen Schluck
Wasser. »Weil Sie nicht dabei gewesen sind, Herr Lenz. Jeder, der damals in
dieser Anstalt war, ist sich vorgekommen wie der letzte Dreck, und er wurde von
vielen Menschen auch so behandelt.« Er stellte das Glas auf dem Tisch ab. »Wie
der letzte Dreck. Der Aufenthalt im Karlshof galt als Vorstufe zum Knast, für
viele der Insassen war es auch so. Ich kann es nicht belegen, aber ich vermute,
dass 90 Prozent der damaligen Heimbewohner im Gefängnis gelandet sind. Zuerst
Jugendknast, später der richtige.«
    »Was macht Sie da so
sicher?«
    »Die Dummheit der
Zöglinge und das völlige

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