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Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall

Titel: Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P Gibert
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wieder ein. »Eines Tages
jedenfalls kam dieser Erzieher nicht mehr zur Arbeit, seine Freundin ebenfalls
nicht. Und es machte schnell die Runde, dass sie etwas mit dem Heimleiter
angefangen hatte, einem Familienvater von über 40, der mit seiner Frau und
seinen vier Kindern in der Heimleitervilla wohnte. Dann ging alles ganz
schnell. Der Heimleiter wurde ausgetauscht und durch einen neuen ersetzt, die
Frau und die Kinder zogen weg, und unser Lieblingserzieher kam noch einmal, um
sich von uns zu verabschieden. Das war’s dann. Hängengeblieben sein dürfte bei
den Jungs, dass man sich nehmen kann, was man will, wenn man es nur
durchsetzungsfähig und brutal genug anstellt.«
    Er trank erneut einen
Schluck Wasser. »Leider habe ich nie herausbekommen, was aus dem netten Michi
geworden ist«, ergänzte er traurig.
    Lenz und Hain lauschten
gebannt den Ausführungen des Mannes. Es war für die Beamten wie das Eintauchen
in eine unbekannte, fremde Welt.
    »Gibt es unter denjenigen
Heimbewohnern, an die Sie sich erinnern, jemanden, dem Sie die Morde an den
Erziehern zutrauen?«, wollte Lenz wissen.
    Schlieper überlegte
lange. »Dazu sind meine Erinnerungen zu sehr verblasst, Herr Kommissar. Es gibt
welche, an die ich mich gut erinnere, wie zum Beispiel die Füchse. Denen würde
ich die Morde von der Sache her auch ohne Zweifel zutrauen, aber trotzdem
können sie es meiner Meinung nach nicht gewesen sein.«
    »Warum nicht?«, fragte Lenz
überrascht zurück.
    »Weil in der Zeitung
stand, dass der oder die Täter ein Schriftstück am Tatort zurückgelassen
hätten.«
    »Und? Was bedeutet das?«
    »Die Füchse haben nie
schreiben und lesen gelernt.«
    Lenz hatte das Gefühl,
sich verhört zu haben.
    »Glauben Sie mir, Herr
Kommissar. Die Jungs sind Analphabeten. Ich weiß es genau, weil sie mich oft
genug gezwungen haben, für sie Briefe an irgendwelche Gerichte oder das
Jugendamt zu schreiben. Und die Erzieher haben es auch alle gewusst, weil sie
in engem Kontakt mit ihren Lehrern standen.«
    »Vielleicht haben sie es
im Lauf der Zeit ja doch noch gelernt«, gab Hain zu bedenken.
    »Nicht in diesem Leben«,
widersprach Schlieper energisch. »Ich persönlich glaube, dass die beiden
einfach zu doof dafür sind. Gut und schnell mit der Faust waren sie, das muss
man ihnen lassen, aber bei allem anderen hat es an fundamentalsten Dingen
gefehlt. Die waren nicht einmal in der Lage, einen vernünftigen Satz zu bilden.
Und gefördert hat sie ohnehin nie jemand.«
    Lenz nickte in einem
Anflug von Betroffenheit. Hain griff sich an die noch immer schmerzende Beule
an seinem Kopf, ließ aber keine Betroffenheit erkennen.
    »Können Sie sich an einen
Martin Melchers erinnern?«, fragte er den Soldaten.
    »Klar. Martina. Bei dem
bin ich mir aber nicht sicher, ob er das mit AIDS und dem allem überlebt hat.«
    Schlieper dachte ein paar
Sekunden mit geschlossenen Augen nach. Offenbar kamen immer mehr Bilder aus der
damaligen Zeit vor seinem geistigen Auge hoch.
    »Wenn es je einem Jungen
im Karlshof schlecht gegangen ist, dann Martina. Oder besser Martin. Wir haben
ihn immer Martina gerufen, wegen seines androgynen Auftretens. Der war der
Blitzableiter für alle. Jeder, der gerade Lust hatte, hat sich an ihm
ausgetobt, ihn vermöbelt. Auch wenn es den anderen und mir dort richtig
schlecht ging, im Vergleich zu ihm waren wir immer noch gut dran.«
    »Würden Sie ihm die Morde
zutrauen?«
    »Martina? Äh, Martin?«
Wieder dachte er mit geschlossenen Augen nach. »Schreiben kann er zumindest,
das weiß ich genau. Aber im Ernst, dazu kann ich nichts sagen. Wer weiß, was
die ganzen Schläge von damals mit ihm und seinem Kopf angestellt haben? Wenn
Sie so nach ihm fragen, dürfte er noch am Leben sein, oder?«
    Hain nickte. »Haben Sie
auch Erinnerungen an Mädchen, die im Karlshof untergebracht waren?«
    »Wenn, dann eher blasse.
Mit denen hatten wir als Schüler, also der niedersten Kaste innerhalb der
Anstalt, wenig bis gar nichts zu tun. Die haben sich an die älteren, stärkeren
Jungs aus dem Haupthaus gehalten.«
    »Petra Soffron?«, warf
der Oberkommissar den Namen der kürzlich Verstorbenen in den Raum.
    »Petra Soffron? Ja, an
die kann ich mich erinnern, aber ganz, ganz verschwommen. Eine Rumtreiberin vor
dem Herrn, und irgendwie war sie immer schwanger.«
    »Wie meinen Sie das,
immer schwanger?«, hakte Hain irritiert nach.
    »Na, wie ich es sage.
Petra rannte eigentlich die

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