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Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall

Titel: Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P Gibert
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mehr zum geistigen
Wrack wird? Der in ein paar Wochen in einem Pflegeheim vor sich hinvegetieren
wird? Was meinen Sie, meine Herren von der Polizei?«
    Lenz und Hain sahen sich
unsicher an.
    »Wir können und dürfen
das nicht moralisch bewerten, Frau Aurich«, fiel Hain schließlich dazu ein.
»Wir sind Polizisten, und aufgrund dessen ist es unsere Pflicht, jeden Bürger
ohne Ansehen der Person vor allem zu beschützen, was sein Leib und Leben oder
seine körperliche Unversehrtheit bedrohen könnte.«
    Sie nickte sarkastisch.
»Das kann ich verstehen. Und ich versichere Ihnen, dass ich auch weiterhin
nachts die Tür gut verschließen werde.«
    »Das ist gut so«, wurde
sie von Lenz gelobt, der nicht sicher war, ob er ihr glauben sollte.
    »Haben Sie mit Ihrem Mann
über das gesprochen, was er auf der Arbeit erlebt hat?«, wollte er wissen.
    »Manchmal, ja. Aber nicht
in den letzten Jahren, da wurde ihm sein Beruf sehr, sehr schwer.«
    »Nein, ich meine schon
die frühen Jahre.«
    »Ja, damals schon. Aber
Sie müssen verstehen, dass ich das meiste davon sicher vergessen habe.«
    »Können Sie sich
vielleicht an den Namen Petra Soffron erinnern?«
    »Petra Soffron? Nein, das
tut mir leid. Aber vielleicht finden Sie etwas über die Frau in den Tagebüchern
meines Mannes.«
    »Ihr Mann hat Tagebuch
geführt?«
    »Ja, sehr pedantisch
sogar. Er sagte immer, dass er im Alter gern ein paar Erinnerungshelfer für das
hätte, was er erlebt hat.« Sie legte resignierend die Stirn in Falten. »Gerade
so, als ob er eine Ahnung davon gehabt hätte, was ihm im Leben noch alles
blühen würde.«
    »Haben Sie ihm die Bücher
mal wieder gezeigt?«, wollte Hain wissen.
    »Ja, natürlich. Aber er
kann nicht mehr viel damit anfangen, und das macht ihn dann nur mehr und mehr
aggressiv.«
    »Würden Sie uns erlauben,
einen Blick in die Bücher zu werfen?«
    »Sehr gern, wenn Sie das,
was er über unsere Ehe geschrieben hat, ausblenden.«
    »Großes Ehrenwort«,
versprach Hain, und hob zur Bestätigung Daumen, Zeige- und Mittelfinger der
rechten Hand.

     

18
    Martin
Melchers lag auf dem Bett, in dem sein Partner ein paar Stunden zuvor
geschlafen hatte, und weinte. Vor seinem geistigen Auge liefen wirre Filme mit
Vergewaltigungsszenen in Gefängnissen und anderen Gräueltaten ab. Er griff nach
der Packung mit den Papiertaschentüchern auf dem Boden, zog eins heraus und
schnäuzte sich.
    Ich vermisse dich so
sehr, Louis.
    Melchers und der Stricher
kannten sich seit mehr als fünf Jahren. Vom ersten Augenblick an war er
begeistert und fasziniert gewesen von dem quirligen und gut aussehenden Jungen,
der sich so gar nicht für ihn zu interessieren schien. Einen Monat später war
Martin Melchers einer von Brachts Stammfreiern. Wann immer er es sich leisten
konnte, nahm er die Dienste des gut gebauten, aber trotzdem zierlichen Jungen
in Anspruch. Dann, vor etwa sechs Wochen, hatte es nachts bei ihm geklingelt,
und Louis Bracht in der Tür gestanden.
    Kann ich bei dir
schlafen?, hatte er gefragt.
    Und ob er konnte.
    In den Tagen danach waren
sie sich näher und schließlich ganz nah gekommen, diesmal allerdings ohne
Bezahlung. Und Martin Melchers hatte sich Hals über Kopf und mit Haut und
Haaren verliebt.
    Ich vermisse dich so
sehr, Louis.
    Zwar waren Melchers immer
wieder Zweifel gekommen, ob sich hinter Brachts plötzlichem Auftauchen in der
Nacht vielleicht andere Motive verbargen als das Finden der großen Liebe, doch
er hatte sie stets mit ein paar Gedanken an den guten Sex und das treue Gesicht
seines Partners weggewischt.
    Mit zitternden Fingern
tastete der Mann, der noch immer den blauen Bademantel trug, nach einem Bild
auf dem Nachtschränkchen neben dem Bett. In diesem Moment rasselte die Klingel.
Melchers sprang hoch, wischte sich kurz mit dem rechten Ärmel übers Gesicht,
und rannte zur Tür.
    Ich habe dich so sehr
vermisst, dachte er voller Freude.
    Dann riss er aufgeregt an
der Türklinke und blinzelte hinaus in den dunklen Flur. Die Faust, die sein
Nasenbein zertrümmern sollte, sah er erst, als sie schon fast an ihrem Ziel
angekommen war.

     
    Als
er wieder zu sich kam, schmeckte er Blut und roch den Gestank des alten,
abgewetzten Teppichs, auf dem er lag. Aus dem Zimmer nebenan hörte er das leise
Wimmern der Hunde.
    »Wie geht’s?«, fragte
eine Männerstimme über ihm.
    Er holte Luft und wollte
etwas antworten, doch stattdessen fing er laut an zu

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