Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall

Titel: Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P Gibert
Vom Netzwerk:
weinen.
    »Psst«, machte die
Stimme. »Hör auf zu jammern.«
    Der Mann, der das sagte,
klang kalt und bedrohlich. »Wenn du auch nur einen Mucks machst, der mir zu
laut ist, schlage ich dich tot.«
    Melchers nickte. Er hatte
immer genickt, wenn es brenzlig geworden war. Gewehrt hatte er sich nie.
    »Du hast sie irgendwie
geliebt?«
    Der Mann am Boden hatte
keine Ahnung, von wem der Fremde sprach. »Wen denn?«, flüsterte er leise.
    »Petra.«
    »Wie meinen Sie das,
geliebt?«, wieder geflüstert.
    »Na, geliebt. Wie man
eine Schwester eben liebt.«
    »Ja.«
    Eine längere Stille.
    »Was dich aber nicht
daran gehindert hat, sofort nach ihrem Tod die meisten ihre Bücher an einen
Trödler zu verhökern.«
    Melchers erschrak. Woher
wusste der Mann das?
    »Ich brauchte das Geld.
Petra war doch tot.«
    Wieder Stille.
    »Und ihr Konto? Was hast
du mit ihrem Konto gemacht?«
    Vor Melchers Augen
tanzten Armeen von Sternen. Wer war der Mann, und was wollte er von ihm? Woher
wusste er auch noch, dass er das Konto von Petra Soffron in den Tagen nach
ihrem Tod mit Hilfe ihrer EC-Karte geplündert hatte?
    »Es war doch so viel zu
bezahlen«, antwortete er. »Die Beerdigung und das alles.«
    »Du lügst«, zischte die
Stimme über ihm. »Das war längst erledigt.«
    »Aber …«
    »Ja?«
    »Wer sind Sie?«
    »Wer kann ich wohl sein?
Hast du keine Idee?«
    Melchers überlegte
fieberhaft, doch es fiel ihm nichts ein. Die Stimme? Nein, niemals gehört.
    »Nein«, murmelte er
leise.
    Wieder eine Pause.
    »Du hast seit Jahren auf
ihre Kosten gelebt und es dir gut gehen lassen«, kam es von oben.
    »Nein, das stimmt nicht«,
protestierte Melchers eine Spur zu laut.
    »Psst.«
    »Ja, es tut mir leid.« Er
schluckte. »Aber ich habe nicht auf ihre Kosten gelebt, ganz bestimmt nicht.«
    »Aber du brauchtest doch
deine ganze Kohle für den Stricher.«
    Nun schwieg Melchers.
    »Ich höre nichts von
dir?«
    »Woher wissen Sie das
alles?«
    Ein arrogantes Lachen.
»Sagen wir, ich habe gute Verbindungen.«
    »Und was wollen Sie jetzt
von mir?«
    »Mit dir reden.«
    »Und dann?«
    »Und dann, und dann? Sei
nicht so neugierig, mein Freund.«
    Wieder ein paar Sekunden
Stille.
    »Ich habe schreckliche
Angst«, wimmerte Melchers.
    »Du weißt, dass dir das
Gejammer nichts bringen wird? Weil du immer der Fußabtreter gewesen bist, für
alle und jeden, weißt du das?«
    Vielleicht ist er ein
Freund der Füchse, dachte Melchers. Ein Irrer, dem es auch Spaß macht, andere
zu quälen und zu erniedrigen. Dem es Freude macht, wenn andere Schmerzen
leiden.
    »Wer sind Sie?«, fragte
er noch einmal ängstlich.
    Ohne ihm eine Antwort zu
geben, sprang der Eindringling auf den bewegungslos am Boden liegenden Melchers
und brach ihm mit den Knien ein paar Rippen. Ein lauter, entsetzter,
gepeinigter Aufschrei.
    Der Peiniger drehte
seinen Körper um 90 Grad, ließ die beiden Knie neben dem gehetzt nach Luft
japsenden Melchers nieder, und zog ein Messer aus der Tasche. Damit trennte er
den Bademantel auf etwa 30 Zentimetern in der Mitte des Rückens auf. Mit der
rechten Hand tastete er kurz über die Halswirbel, bis er offenbar die Stelle
gefunden hatte, nach der er suchte.

     
    *
    Martin
Melchers spürte einen Schlag, der ihm die Luft zum Atmen raubte. Und mit diesem
Schlag lösten sich die Schmerzen, die ihm zuvor seine gebrochenen Rippen
bereitet hatten, in ein absolutes Nichts auf. Für einen Sekundenbruchteil war
er erleichtert und zufrieden, doch im gleichen Moment wurde ihm klar, dass
etwas mit ihm nicht stimmte. Etwas viel, viel Schwerwiegenderes als ein paar
gebrochene Rippen. Er versuchte, seine Lungen mit Atemluft zu füllen, doch es
war ihm nahezu unmöglich. Wieder und wieder riss er den Mund auf, saugte, zog,
doch der Erfolg war eher homöopathischer Natur.
    Mit den Schmerzen war
auch der Mann verschwunden, der auf seinem Rücken gesessen hatte. Bang und weg.
Melchers versuchte, sich auf die Seite zu rollen, um nachsehen zu können, ob
der Mann wirklich weg oder ob er nur von ihm aufgestanden war, aber diese Aktion
löste den nächsten, diesmal endgültigen Schock aus. Er war nicht in der Lage,
Befehle an seine Extremitäten zu senden. Es war, als hätte jemand den Kontakt
zu ihnen unterbrochen. Keine Bewegung, kein Gefühl.
    Doch, jetzt. Nun stellte
sich ein stechender Schmerz knapp unterhalb des Genicks ein, wie aus dem
Nichts. Ein Schmerz, der rasant stärker wurde. Aua, wollte er

Weitere Kostenlose Bücher