Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
ganz sicher waren auch die Taten
von Erika Schäfer, deren sie sich durch Unterlassung schuldig gemacht hatte,
verjährt.
»Was ist aus den Kindern
geworden, die Petra Soffron bekommen hat?«
Sie schluckte. »Die
wurden zur Adoption freigegeben. Was danach aus ihnen geworden ist, weiß ich
nicht. Vermutlich weiß das niemand.«
»Wusste Bauers Frau von
der Sache?«
Erika Schäfer sah die
Beamten an, antwortete jedoch nicht.
»Wusste sie es?«, brüllte
Lenz die Frau an.
»Ja, sie wusste es. Sie
wusste es, weil ich es ihr erzählt habe.«
»Sie haben …? Warum haben
Sie das gemacht?«
»Das würde zu weit
führen«, erwiderte sie kühl.
Lenz hatte den Eindruck,
dass sie ihre Fassung wieder erlangt hatte. »Wir haben Zeit. Erzählen Sie.«
»Ich möchte nicht.«
»Es spielt keine Rolle,
was Sie möchten oder was nicht. Reden Sie, verdammt noch mal!«
Hain warf seinem Chef
einen Blick zu, der ihn zur Ruhe ermahnen sollte.
»Ich habe schon viel zu
viel gesagt und werde ohne einen Anwalt jetzt gar nichts mehr sagen. Außerdem
bitte ich Sie, meine Wohnung zu verlassen.« Sie drückte ihre Zigarette aus und
stand auf. »Sofort. Gehen Sie, bitte.«
Lenz warf ihr einen
bösen, wütenden Blick zu. »Sie sollten nicht denken, dass die Sache für Sie ausgestanden
ist, indem Sie uns hinauswerfen. Sie haben sich mitschuldig gemacht an schweren
Straftaten, und wenn es irgendwie geht, werde ich Sie dafür zur Verantwortung
ziehen.«
Erika
Schäfer sah ihn mitleidig an. »Das, was man mir hätte vorwerfen können, mein
lieber Herr Kommissar, ist lange, sogar sehr lange, verjährt. Und ich schäme
mich nicht einmal dafür, dass ich damals so gehandelt habe, das sollten Sie
noch wissen. Und jetzt guten Abend, meine Herren.«
Die
Augen des Hauptkommissars funkelten sie an, doch Hain schob ihn aus dem Zimmer.
Ohne einen Gruß verließen sie die Wohnung. Im Fahrstuhl war Lenz zum ersten
Mal, seit er denken konnte, ohne Angst. Nachdem die Kabine sich in Bewegung
gesetzt hatte und nach unten schwebte, schlug er voller Zorn mit der Faust
gegen die Edelstahlverkleidung.
*
Die
beiden Polizisten gingen langsam auf den Mazda zu und ließen sich in die heißen
Ledersitze fallen. Noch immer waren es mindestens 30 Grad.
»Sie hat recht, Paul. Was
immer sie getan haben mag, es ist längst verjährt.«
»Das
weiß ich. Und das macht mich ja so gallig. Wir können ihr nichts, aber auch gar
nichts anhängen deswegen.«
»Immerhin wissen wir
jetzt, dass dieser Bauer ein echtes Arschloch gewesen ist, der mit einer
Schutzbefohlenen zwei Kinder gezeugt hat.«
»Er hat das Mädchen
vergewaltigt, Thilo. Missbraucht. Etwas anderes lasse ich nicht gelten. Und
vermutlich hat das ganze Personal des Karlshofs davon gewusst und geschwiegen.
Das ist doch total krank.«
Hain kratzte sich am
Kinn. »Da will ich dir gar nicht widersprechen, Paul. Aber so schlimm das auch
sein mag, sowohl Täter als auch Opfer sind tot.«
Lenz schloss die Augen
und atmete tief und langsam ein und aus. Dann öffnete er die Augen wieder und
betrachtete eine Weile den blauen Himmel. »Immerhin wurde der Vater der Kinder
ermordet. Wer sagt uns, dass nicht die beiden dahinterstecken?«
»Nun bleib mal auf dem
Teppich, mein Lieber. Die Nummer wäre wirklich ein bisschen weit hergeholt. Und
außerdem: Woher hätten die beiden Kinder denn wissen sollen, wer ihre
leiblichen Eltern sind? Immerhin hat Petra Soffron noch nicht einmal ihrem
Intimus Martin Melchers die Wahrheit gesteckt.«
»Kennst du dich mit
Adoptionen aus?«, fragte Lenz seinen Kollegen.
»Nicht die Bohne.« Der
Oberkommissar sah auf die Uhr. »Es ist Freitag, kurz nach halb sechs. Vor
Montagmorgen können wir es ohnehin vergessen, irgendjemanden zu erreichen, der
uns in dieser Sache weiterhelfen könnte.«
»Leider, ja«, stimmte
Lenz zu. Dann jedoch griff er zum Telefon und wählte die Nummer des Präsidiums.
»Lenz hier. Können Sie
mir bitte die Nummer des Karlshofs in Wabern raussuchen?«
Eine halbe Minute später
hatte er eine Verbindung.
»Lenz, guten Tag«,
meldete er sich. »Können Sie mich bitte mit Pavillon zwei verbinden?«
»Ich kann es versuchen«,
ließ die sympathisch klingende Frau am anderen Ende ihn wissen, »aber
vermutlich werden Sie kein Glück haben, weil gerade Essenszeit ist. Bleiben Sie
bitte dran.«
Es knackte in der
Leitung, dann ertönte eine Hip-Hop-
Melodie. Lenz kräuselte skeptisch die
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