Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
ein Auge drauf.«
»Danke«, rief der
Polizist zurück. »Das beruhigt mich ungemein«, murmelte er mehr zu sich selbst.
Vera
von Bissingen empfing die Kriminalbeamten in ihrem Büro. Dort standen die
beiden Fenster offen und es herrschte ein leichter, angenehmer Durchzug.
»Nehmen Sie sein Getue
nicht so wichtig«, riet sie Hain. »Der Junge übertreibt zwar nicht, aber wir
haben eine Vereinbarung mit ihm, dass er, solange er hier ist, keine Autos
klaut.«
»Ach, ist das sonst sein
Hobby?«, fragte Hain zurück.
Die Frau bot ihnen die
gleichen Stühle an wie am Tag zuvor und setzte sich ebenfalls. »Das könnte man
so sagen«, beantwortete sie die Frage des Oberkommissars. »Er hat etwa 400
Verfahren laufen, allesamt wegen Fahrzeugdiebstahls. Der Junge ist knapp 16 und
kann die meisten der serienmäßigen Wagentypen in Deutschland in kürzester Zeit
knacken. Seine Geschichte geisterte vor etwa einem halben Jahr mal durch die
Gazetten.«
Sie griff in die
Schreibtischschublade, nahm eine Packung Pfefferminzpastillen heraus, steckte
sich eine in den Mund und bot den Beamten etwas an, die jedoch dankend
ablehnten.
»Das ganze Ruhrgebiet hat
er unsicher gemacht, bis man ihn letztlich doch erwischt hat. Er ist jetzt hier
und hofft, dadurch um den Jugendknast herumzukommen.«
Sie sah, dass Hain sich
hochbeugte, um einen Blick auf sein Auto zu werfen, und fing an zu lachen. »Das
können Sie lassen. Unsere Erfahrungen mit ihm haben gezeigt, dass man sich
hundertprozentig auf das verlassen kann, was er verspricht. Wenn er sagt, dass
Ihrem Wagen nichts passiert, dann meint er das auch so.«
»Und da sind Sie sich
ganz sicher?«
»Absolut, ja.«
»Na denn«, zuckte Hain
mit den Schultern und zog den Kopf wieder ein.
»Aber Sie sind doch
garantiert nicht hierhergekommen, um mit mir über Marius zu sprechen, oder?«
»Nein, das stimmt«,
meldete Lenz sich zu Wort. »Wir haben ein paar weiterführende Fragen zu Ihrem
ehemaligen Kollegen Dieter Bauer.«
»Das habe ich mir schon
gedacht. Wie kann ich Ihnen also helfen?«
Der Hauptkommissar
räusperte sich. »Die Angelegenheit, wegen der wir kommen, ist sehr
unappetitlich, Frau von Bissingen. Und sie hat vermutlich stattgefunden, lange
bevor Sie hier angefangen haben zu arbeiten.«
Sie nickte. »Also, worum
geht es?«
»Ist Ihnen irgendetwas
darüber bekannt, dass Herr Bauer mit einer der Heimbewohnerinnen eines oder
mehrere Kinder gezeugt hat?«
Der Gesichtsausdruck der
Frau veränderte sich keinen Iota. Sie holte tief Luft und setzte sich aufrecht,
bevor sie anfing zu sprechen. »Genaues kann ich Ihnen dazu natürlich nicht
sagen, weil, wie Sie richtig anmerken, diese Sachen vor meinem Erscheinen hier
stattgefunden haben könnten.«
»Das heißt …?«, wollte
Lenz nachhaken, wurde jedoch von ihr unterbrochen.
»Das heißt zunächst
einmal gar nichts, Herr Kommissar. Es gab und gibt Gerüchte über viele Dinge,
die in jener Zeit hier passiert sein sollen, mehr nicht. Ich war nicht dabei,
deshalb kann ich Ihnen vermutlich auch nicht weiterhelfen.«
»Aber von diesen
Gerüchten, dass Bauer und eine ehemalige Bewohnerin eines oder mehrere Kinder
miteinander gezeugt haben sollen, haben Sie gehört?«
Sie nickte vorsichtig.
»Allerdings muss ich Ihnen sagen, dass diese ganzen Sachen nie über den Status
eines Gerüchts hinausgekommen sind.«
»Haben Sie Herrn Bauer
danach gefragt?«, wollte Hain wissen.
Sie tippte sich mit dem
Zeigefinger an die Stirn. »Ich bin doch nicht verrückt, und das war ich auch
damals nicht. Der Mann war hochgradig jähzornig. Vermutlich hätte er mich dafür
verprügelt.«
»Wie auch immer«, meinte
Lenz, »die Dinge von damals, diese Gerüchte, helfen uns im Moment nur bedingt
weiter. Uns wäre viel wichtiger, zu erfahren, was aus den Kindern geworden
ist.«
»Wenn sie denn zur Welt
gekommen sind«, gab Vera von Bissingen zu bedenken.
»Das sollte so sein. Wir
haben die Aussage eines ehemaligen Heimbewohners, dass er sich an dieses
Mädchen nur mit einem dicken Bauch erinnern kann, also sollte sie nach
menschlichem Ermessen nicht abgetrieben haben.«
»Dann gäbe es die
Möglichkeit, dass sie die Kinder hier bekommen und aufgezogen hat. Heute ist es
die übliche Vorgehensweise, wenn die schwangeren Mädchen ein gewisses Alter
erreicht haben; aber ich habe keine Ahnung, wie das damals gehandhabt wurde.«
»Auch das können wir
vermutlich ausschließen. Sie hat hier
Weitere Kostenlose Bücher