Schmusekatze, jung, ledig, sucht
Katze gewesen wäre.
Nicht nachdenken wollte sie in diesem Zusammenhang darüber, wie sich diese Verschnaufpause auf ihre Finanzen ausgewirkt hatte und auch noch weiter auswirkte, denn noch war die Angelegenheit nicht beendet. Zumindest nicht, wenn es nach ihr ging.
»Tut mir leid, Chrissy«, rief Sandra, als sie hinter die Theke geeilt kam, ihre Jacke aufhängte, die Hände wusch und sich die Schürze umband. »Ich dachte, das wird heute überhaupt nichts mehr. Und das an meinem dritten Arbeitstag ! Es tut mir wirklich so leid, vor allem weil du jetzt trotzdem herkommen musstest.«
»Keine Panik«, erwiderte Chrissy und schüttelte lässig den Kopf. »Du hast ja nicht verschlafen oder sonst irgendwas angestellt. Du kannst nichts dafür, wenn dir jemand reinfährt. Was die Sache lästiger machte, war, dass die Straßenbahn auch noch darin verwickelt war. Wenn da was passiert, legen die Leute von den Verkehrsbetrieben einfach alles lahm, um ja kein Detail zu übersehen.«
»Erstens das, und zweitens hatte jemand völlig unnötig die Notbremse gezogen, als mein Wagen an die Bahn gedrückt wurde, dadurch sind ein paar Leute in der Straßenbahn gestürzt und mussten mit Rettungswagen abgeholt werden«, erzählte Sandra. »Und dann wollte der Blödmann, der das ganze Chaos angerichtet hat, auch noch weglaufen.«
» Weglaufen?«
»Ja, aber eine aufmerksame Polizistin hat ihm noch rechtzeitig ein Bein gestellt, und damit war die Flucht nach zwanzig Metern bereits zu Ende.«
»Hat der Typ denn ernsthaft geglaubt, dass ihm das irgendwas bringt, wenn sein Wagen noch da steht?«, wunderte sich Chrissy.
» Wie ich ihn verstanden habe, hat er wohl seiner Frau erzählt, dass er dienstlich nach Koblenz muss, aber in Wahrheit ist er dann nur in die Innenstadt, um sich da irgendwo zu vergnügen. Tja, und als auf einmal Kamerateams und Fotografen auftauchten, hat er offenbar Panik bekommen, weil seine Frau ihn in den Nachrichten wiedererkennen könnte.« Sandra zuckte mit den Schultern und grinste boshaft. »Zur Strafe haben die Kamerateams seinen Fluchtversuch gefilmt, der noch viel spektakulärer war als zwei zerbeulte Autos und eine Bahn mit einer Schramme an der Seite.«
»Hm, jetzt wird er seiner Frau wohl erst recht was erklären müssen«, sagte Chrissy und ging in den Lagerraum, um ihre Jacke zu holen. »Und mit dir ist wirklich alles in Ordnung?«, vergewisserte sie sich. »Kein Schock oder sonst irgendwas?«
»Nein, nein, ich bin von einem Notarzt untersucht worden, weil die Leute von den Verkehrsbetrieben darauf bestanden haben. Die leben ja in ständiger Angst, irgendwer könnte sie verklagen.«
»Da kann man schon verstehen, dass sie lieber übervorsichtig sind.« Sie zog die Jacke an. »Dann kannst du jetzt übernehmen, ich muss noch was Dringendes erledigen.« Was so dringend war, ließ sie offen. Nicht mal Valerie hatte sie inzwischen wissen lassen, dass sie sich der Wahrheit stellen würde, ganz gleich, wie die Konsequenzen aussahen.
Sie wusste, Valerie würde erfahren wollen, wie es ausgegangen war. Aber je nachdem, wie dieses Gespräch mit ihm verlief, wollte sie vielleicht nicht schon heute Abend darüber reden.
Sie konnte nur hoffen, dass sie nach ihrer Rückkehr vom Löwenhof unbedingt jedem davon berichten wollte, ohne Rücksicht darauf, ob es denjenigen überhaupt interessierte.
14
Es war gegen halb vier, als sie die Zufahrtsstraße zum Gut Leuenstein entlangfuhr. Eine von diesen unförmigen viertürigen Porsche-Limousinen kam ihr entgegen. Obwohl Chrissy durch die getönten Scheiben nicht sehen konnte, wie viele Leute in dem Wagen saßen, wurde sie dennoch das Gefühl nicht los, von zig Augen angestarrt zu werden. Ihr Golf war für diese Umgebung einfach das falsche Auto – oder genau das richtige. Während – von der Kö einmal abgesehen – auf der Straße immer ein paar Leute stehen blieben und hinterherschauten, wenn ein Rolls-Royce oder ein Ferrari vorbeifuhr, waren die Fahrer solcher Wagen hier auf dem Gut quasi unter sich, und niemand sah sehnsüchtig schmachtend einem dicken Mercedes mit allen nur denkbaren Extras hinterher.
Und dann tauchte auf einmal ein kleiner alter Golf auf, und prompt wurde man an den Sinn des Lebens erinnert – nämlich andere mit dem eigenen Reichtum zu beeindrucken.
Das Dumme (zumindest aus der Sicht der anderen) war daran nur, dass sich Chrissy von so etwas nicht beeindrucken ließ. Das Einzige, was sich bei ihr regte, war ein gewisses Unbehagen, weil sie
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