Schmusekatze, jung, ledig, sucht
sich in solchen Kreisen nicht wohlfühlte. Zum großen Teil waren Leute mit viel Geld oberflächliche Menschen, die den Wert anderer Menschen danach beurteilten, wie viel Geld die hatten. Und die wenigsten von ihnen besaßen Geschmack, auch wenn sie selbst glaubten, in dieser Hinsicht alles für sich gepachtet zu haben.
Die Männer trugen peinliche Toupets, die aussahen wie von einem Wühltisch in einem Ein-Euro-Laden, obwohl sie reich genug waren, um ein paar Tausender für ein vernünftiges Haarteil auszugeben. Die Frauen ließen sich liften, wo es nur ging, und hielten ihre grotesken Fratzen auch noch für schön und jugendlich. Die grausigen » Verschönerungen« beschränkten sich aber nicht auf den eigenen Körper, auch das eigene Heim musste daran glauben und wurde mit goldenen Hundeskulpturen in Lebensgröße, Bleikristall in allen Formen und Größen und mit dem schlimmsten Zierrat vollgestopft.
Da drehte Chrissy lieber jeden Cent dreimal um, anstatt reich und geschmacklos zu sein.
Der Parkplatz neben dem Gut bestätigte den Eindruck, den sie schon vorgestern von dem Anwesen bekommen hatte, als sie nur an der Zufahrt einen Blick gewagt hatte. Keines der Fahrzeuge, die dort parkten, war für unter hunderttausend Euro zu kriegen, und selbst das war nur der Preis für die Grundausstattung.
Als sie auf den Parkplatz zusteuerte, sah sie, dass von seinem Platz vor der Freitreppe eine Art Page zu ihr gelaufen kam, aber sie fuhr einfach weiter. Sie entdeckte zwischen zwei Audi-Geländewagen eine Lücke und stellte ihren Wagen ab. Gerade als sie ausgestiegen war, holte der Page sie ein.
»Entschuldigung, aber Sie können da nicht parken«, sagte er etwas ungehalten und ein wenig außer Atem.
» Warum nicht?
»Das ist nur für Gäste des Löwenhofs.«
»Aha. Und wer sagt, dass ich kein Gast des Löwenhofs bin?« Chrissy war von ihrem Lokal zuerst nach Hause gefahren, um den dunkelgrauen Hosenanzug herauszukramen, den sie vor Jahren gekauft und seitdem höchstens zweimal getragen hatte. Erfreulicherweise hatte der noch wie angegossen gepasst, der einzige Haken war der, dass der Schnitt ein wenig aus der Mode gekommen war und man ihm sein Alter daher deutlich ansehen konnte. Obwohl … das war gar nicht der einzige Haken. Jeder, der sich in diesen erhabenen Kreisen bewegte, würde auch sofort erkennen, dass das nicht die Arbeit irgendeines Designerlabels war.
Und das galt offenbar auch für den Pagen.
»Na ja, Ihr …«, begann er und machte eine Geste, die eindeutig ihrem Erscheinungsbild galt.
Als der junge Mann ins Stocken geriet, fragte sie mit leicht gereiztem Unterton : »Ja, bitte?«
»Nun, ich wollte sagen …«, unternahm er einen zweiten Anlauf, diesmal wanderte sein Blick zu ihrem Wagen, der zwischen den beiden Geländefahrzeugen verschwindend klein wirkte.
»Habe ich irgendetwas an mir, das Ihnen verrät, dass ich nicht den Löwenhof aufsuchen möchte?« Sie musterte den Mann so eindringlich und so aufgebracht, dass der vor Verlegenheit einen roten Kopf bekam.
Dennoch schien er immer noch versucht, sie wieder wegzuschicken.
» Wissen Sie, wer ich bin?« Sie sah ihn herausfordernd an.
»Ähm …« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Also …«
Du hast zu oft Beverly Hills Cop gesehen, ermahnte ihre körperlose Stimme sie. Dem konnte Chrissy nur zustimmen, aber das tat sie sogar gern, denn an der dreisten Art, mit der sich Eddie Murphy Zutritt zu allen Häusern und Räumen verschaffte, konnte sie sich nicht sattsehen. Und dabei war das eine Sache, die nicht mal allzu übertrieben dargestellt worden war. Wenn man einen Bluff richtig einsetzte, ließen sich damit viele Menschen überrumpeln, ganz sicher auch dieser Page, bei dem sie jetzt die Probe aufs Exempel machen würde.
»Sie wissen nicht, wer ich bin, richtig?«, hakte sie nach, bevor er noch weiterstammeln konnte.
»Nein, ich kann nicht …«
Abermals ließ sie ihn nicht ausreden. »Sehr interessant. Dann stehen Sie jetzt vor der Wahl, mich in den Löwenhof gehen zu lassen und womöglich niemals zu erfahren, wer ich bin. Oder aber Sie versperren mir weiter den Weg, und dann werden Sie in Ihrem Kündigungsschreiben lesen können, wen Sie vor sich hatten und nicht erkannt haben.« Sie zuckte beiläufig mit den Schultern. » Wenn Sie dafür Ihren Job opfern wollen, dann nur zu.«
Der junge Mann schluckte angestrengt, dann machte er einen Schritt zur Seite und sagte : »Herzlich willkommen auf Gut Leuenstein. Darf ich Ihren
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