Schmusekatze, jung, ledig, sucht
verteilte.
»Hat dich irgendwas gestochen, oder wieso sitzt du da und sortierst am frühen Morgen Belege?«, fragte Valerie im Flüsterton. Sie hatte den Morgenmantel angezogen, den Chrissy ihr vorhin erst auf den Sessel gelegt hatte. »Hat sich irgendwo ein Scharfschütze vom Finanzamt versteckt, der dich umbringt, wenn du nicht deine Belege ordnest? Oder ist irgendein Dämon in dich gefahren, der dich dazu zwingt? Ah, nein, warte, jetzt weiß ich’s : Du bist eine Kopie von Chrissy, die von Außerirdischen hier eingeschleust wurde, damit sie die echte Chrissy entführen und untersuchen können.«
Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, du liegst ja so hoffnungslos daneben, Valerie. Es war das Einzige, womit ich mich beschäftigen konnte, um dich nicht aufzuwecken. Während du auf dem Sofa liegst, kann ich wohl schlecht mit dem Staubsauger durchs Wohnzimmer spazieren, nicht wahr?«
Valerie kniff die Augen zusammen, als sich in der Wolkendecke eine Lücke auftat und die Sonne von dem weiß gestrichenen Haus gegenüber reflektiert wurde.
»Kater?«, fragte Chrissy und stellte ihre Tasse zurück auf den Tisch.
»Kann man so sagen«, murmelte Valerie und ließ sich mit einem leisen Stöhnen gegen den Tresen sinken. Sie schaute vor sich auf den Boden. »Du etwa nicht?«
Chrissy schüttelte flüchtig den Kopf.
»Du hast keinen Kater?«, wunderte sich Valerie. »Selbst wenn ich zwei von den drei Flaschen geleert haben sollte, was ich eigentlich nicht glaube, wärst du mit einer Flasche immer noch weit über deinem Kopfschmerzlimit.«
»Ich bin halt jünger, ich stecke so was besser weg«, spottete sie grinsend.
»Ich würde ja eher sagen, du bist bloß früher aufgestanden und hast dir eine ganze Packung Kopfschmerztabletten reingezogen«, konterte Valerie argwöhnisch.
»Blödsinn, wie kommst du denn auf so was?«
»In erster Linie, weil ich von hier aus in die beiden Tüten für den Plastik- und den Papiermüll sehen kann«, erklärte sie und schürzte die Lippen. »Im Plastikmüll liegt eine Zehnerblisterpackung, aus der alle Tabletten rausgedrückt sind, und aus dem Altpapier lacht mich ein Paracetamol-Umkarton an.«
» Vielleicht habe ich das ja schon gestern weggeworfen.«
Valerie hob mahnend den Zeigefinger. »Auf den Arm nehmen kann ich mich auch alleine. Unter der Blisterpackung liegt nämlich die Verpackung von den Salzstangen, die wir letzte Nacht verputzt haben. Weil du danach nicht mehr in der Küche warst, solange ich noch wach war, muss die Tablettenpackung heute Morgen reingeworfen worden sein. Falls nicht irgendein Nachbar einen Schlüssel zu deiner Wohnung hat, der dich auf diese Weise an seinem Plastikmüll teilhaben lässt, kann das eigentlich nur eines bedeuten …«
»Ist schon gut, Miss Marple, du hast mich überführt«, unterbrach Chrissy sie lachend. » Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn ich dich in dem Glauben hätte lassen können, dass ich katerresistent bin.«
»Die Chance hast du dir verbaut, weil du gesagt hast, dass du jünger bist und Alkohol besser verträgst«, sagte Valerie, goss sich einen Kaffee ein und setzte sich zu ihr an den Tisch. » Wenn jemand versucht, irgendwas auf mein Alter zu schieben, dann gebe ich keine Ruhe, bis ich ihn widerlegt habe. Ich bin schließlich bloß über dreißig und nicht über achtzig.«
»Du twitterst nicht, du hast keine Facebook-Seite, du führst kein Blog«, zählte Chrissy auf. »Für Leute um die zwanzig bist du damit steinalt.«
»Ich will nicht twittern, weil ich nicht kapiere, was das überhaupt soll«, wandte Valerie ein. »Unser Azubi hat mir letzte Woche seine Twitter-Seite und seinen Facebook-Account gezeigt und mir erklärt, was was ist.« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ich finde das Ganze einfach nur total chaotisch. Da twittern dir andere Leute einen Link und schreiben ›Guck mal‹ dazu, und dann siehst du dir irgendeine Website an und weißt nicht, was das soll.«
»Siehst du, du bist zu alt«, sagte Chrissy.
»Das musst du gerade sagen, du hast auch nichts von dem Zeug.«
»Nein, aber das kann ich ja in den nächsten zwei Jahren noch ändern, bevor ich dreißig werde«, meinte sie achselzuckend.
»Oh«, seufzte Valerie und sah zur Decke. » Was werde ich froh sein, wenn du endlich dreißig bist. Dann kannst du endlich nicht mehr darauf herumreiten, dass du noch unter dreißig bist und ich schon drüber.«
Chrissy winkte grinsend ab. »Spätestens, wenn du vierzig wirst, kann ich damit wieder
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