Schmusekatze, jung, ledig, sucht
anfänglichen Erstaunen zog er sein Handy aus der Hosentasche, aber als sie dann sehen konnte, dass er in seinem Fotoalbum blätterte, überkam sie eine gewisse Erleichterung. Er würde ihr nur ein Foto zeigen, wobei sie dieses »Nur« in sehr große Anführungszeichen setzte, denn selbst ein Foto wäre mehr als genug.
»Auf dem Foto wirkt er etwas kleiner, als er eigentlich ist.«
Angeber, ging es ihr durch den Kopf. Männer sind doch alle gleich.
Als er ihr das Handy überreichte, musste sie sekundenlang mit sich ringen, ehe sie auf das Display sehen konnte.
5
U nd? Gefällt er dir?«, fragte Robert und beugte sich interessiert vor.
»Ich … ich …«, gab Chrissy zurück. »Ich weiß im Moment gar nicht, was ich sagen soll. Der sieht … richtig süß aus.«
Noch immer konnte sie es nicht fassen, dass sie das Foto eines grau-schwarz getigerten Katers vor sich hatte, der einen neugierigen Blick in die Kamera warf, die ihn fotografiert hatte. Dann hatte er die ganze Zeit über tatsächlich von einem echten Kater geredet, und er wollte von ihr … eine Katze gezeigt bekommen. Eine echte Katze. Die sie gar nicht vorweisen konnte.
Was um alles in der Welt war hier los? Warum reagierte dieser Mann auf eine Kontaktanzeige, wenn er bloß seinen Kater vermitteln wollte? Oder war das auch nur ein Vorwand? Ging er mit diesem Kater bei Frauen hausieren, um deren Sympathien zu gewinnen? War das nur eine Masche, um eine Frau ins Bett zu kriegen? Oder ging es ihm um mehr? Wollte er die Frauen vielleicht um ihr Vermögen erleichtern? Sie konnte natürlich noch stundenlang rätseln, was er womöglich vorhatte, aber das Einfachste war, ihn geradeheraus darauf anzusprechen. Ob er dann die Wahrheit sagte, war ein ganz anderes Thema.
» Wieso hast du dich eigentlich auf meine Anzeige gemeldet?«, fragte sie schließlich.
» Weil ich sie nett formuliert fand«, erwiderte Robert. »Katzenpensionen schreiben immer das Gleiche, und die drei, die ich mir bislang angesehen habe, machten auf mich nicht den Eindruck, als wenn den Betreibern das Wohl der Tiere am Herzen liegt. Da geht es nur ums Geld, und die Katzen sind für sie Mittel zum Zweck.« Er verzog missbilligend den Mund. »In den Ratgebern wird immer nur in den Vordergrund gestellt, dass eine Katzenpension peinlich sauber sein muss, das sei das Wichtigste. Aber ob so ein Laden nun nach Desinfektionsmitteln riecht oder nicht, ist zweitrangig oder sogar drittrangig. Okay, es darf da nicht alles völlig verdreckt sein, aber man muss auch nicht gerade vom Fußboden essen können. Wirklich wichtig ist was ganz anderes.«
Chrissy zuckte mit den Schultern. »Und was wäre das?«
»Der Eindruck, den die Katzen machen, die da untergebracht sind«, erklärte er. » Wenn die Tiere bei jedem Geräusch zusammenzucken oder in einer dunklen Ecke kauern und einen nur mit aufgerissenen Augen ansehen, dann ist ganz klar, dass die Betreiber sich nicht um die Katzen an sich kümmern. Die laufen mit dem Staubsauger und mit einer Sprühflasche Desinfektionsmittel durchs Haus, sie machen Lärm und schlagen Türen zu, weshalb die Tiere alle völlig verängstigt sind.«
»Also …«, begann Chrissy, ohne zu wissen, worauf sie eigentlich hinauswollte. Aber dann griff Robert ihren Satzanfang mit einem eigenen Gedanken auf.
»Also sucht man nach einer Pension, in der die Katzen in ihren Zimmern auf Kissen oder Kratzbäumen liegen und fest schlafen«, sagte er. » Wenn sie träge den Kopf heben oder mal kurz blinzeln, sobald jemand den Raum betritt, dann weiß man, dass sie sich da wohlfühlen.«
»Aha … und da komme ich dann wie ins Spiel?«, fragte sie etwas verwirrt, da sie nicht wusste, was sie mit einer Katzenpension zu tun hatte.
»Na ja, ich dachte mir, wer seine Anzeige so nett formuliert, der dürfte einer fremden Katze ein angenehmes Zuhause bieten.«
Chrissy sah ihn an und überlegte, was sie tun sollte. Dieser Mann schien sie mit einer Katzenherbergsmutter zu verwechseln oder zumindest mit jemandem, der privat vorübergehend fremde Katzen bei sich aufnahm, nur war ihr noch immer nicht klar, warum er das tat. Zugegeben, sie hätte ihm sagen können, dass er mit seiner Annahme falsch lag, dann wäre das Missverständnis sofort geklärt gewesen, und sie müsste nicht länger so tun, als wüsste sie, um was es ging.
Aber dann wäre ihm erst mal die Verwechslung peinlich gewesen, und er wäre garantiert sofort aufgestanden und gegangen, um nie wieder was von sich hören zu lassen,
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