Schmusekatze, jung, ledig, sucht
können Sie sich nicht vorstellen. Vielleicht haben Sie ja einen stressigen Tagesablauf, aber für das Tier ist das hundertmal so schlimm.«
»Haben Sie denn überhaupt eine Devon Rex hier?«, erkundigte sich Chrissy leise. »Ich meine, es wäre ja unsinnig, wenn ich mit all den Unterlagen hier anrücke, und dann erfahre ich, dass Sie gar keine Devon Rex für mich haben.«
»Junge Frau, ich sag Ihnen jetzt mal was : Sie brauchen überhaupt keine Unterlagen zu beschaffen, weil Sie von mir kein Tier bekommen, nicht mal einen Wellensittich. Wenn Sie wiederkommen, werde ich Sie erkennen und notfalls wird jeder Kollege von mir Sie auch wiedererkennen. Sehen Sie die Kamera da drüben?« Sie zeigte auf die Wand hinter ihr, wo Chrissy nach kurzem Suchen die Kamera und das kleine rote Licht entdeckte, das anzeigte, dass sie aufnahm. » Wir haben diese Kamera installiert, damit sie jeden Besucher filmt, und wenn ich während des Gesprächs den Eindruck bekomme, dass jemand nicht ganz koscher ist, dann aktiviere ich ein kleines Programm, dass die Aufnahmen automatisch nach besonders deutlichen Bildern von seinem Gesicht durchsucht. Sobald die besten Bilder gefunden sind, werden zwei oder drei davon ausgedruckt, und gleichzeitig gehen sie per E-Mail an alle Tierheime im Umkreis von hundertfünfzig Kilometern raus, damit alle gewarnt sind. Sie können sich also den Weg nach Monheim oder Köln oder bis ins Ruhrgebiet sparen, weil Sie überall längst bekannt sind. Und falls Sie auf die Idee kommen sollten, sich in Ihren Wagen zu setzen und zweihundert Kilometer zu fahren, um ein Tierheim aufzusuchen, in dem Ihr Bild nicht unter der Rubrik ›Gesucht : tot oder lebendig‹ zu finden ist, dann werden Sie sich die unangenehme Frage stellen lassen müssen, warum Sie so weit von Ihrem Wohnort entfernt ein Tier aus einem Heim holen wollen.«
Chrissy nickte verstehend. »Dann hat sich meine Frage wohl erübrigt. Aber wer gibt Ihnen das Recht, mich überall schlechtzumachen? Sie kennen mich nicht, Sie wissen gar nichts über mich, ich …«
»Ich weiß nichts über Sie persönlich, das ist richtig«, gab die Frau in ernstem Ton zurück. »Ich weiß nicht, wo und wie Sie wohnen, ich weiß nicht, wie tierlieb Sie normalerweise sind. Aber das ist nicht wichtig. Was zählt, ist Ihr momentanes Verhalten. Sie brauchen dringend eine Katze, und auch noch ganz speziell eine Devon Rex. Sie brauchen diese Katze, aber Sie wollen eigentlich gar keine Katze haben, jedenfalls nicht im Augenblick. Ihnen geht es nur darum, Ihr Gesicht zu wahren. Sie haben irgendwem eine Geschichte aufgetischt, in der eine Devon Rex die entscheidende Rolle spielt, und jetzt will derjenige die Katze sehen. Also müssen Sie eine Katze präsentieren. Nur … was wird mit der Katze, wenn derjenige Ihnen Ihr Märchen abgekauft hat? Bekommen wir sie dann zurück, weil Sie sie nicht mehr benötigen?«
»Ich …«, begann Chrissy, aber ihr fehlten die Worte.
»Sie brauchen nicht darauf zu antworten«, sagte die ältere Frau. »Ich glaube, Sie können auch gar nicht darauf antworten, weil Sie über diesen Punkt noch nie nachgedacht haben.« Sie hob die Schultern. » Vermutlich werden Sie mich für eine abscheuliche Person halten, aber damit kann ich leben. So denken viele von mir, das stört mich nicht, solange ich nur das tue, was für unsere Tiere das Richtige ist.« Sie beugte sich über die Theke und tätschelte Chrissys Schulter. » Wer weiß? Vielleicht kommen Sie in ein oder zwei Jahren wieder her, weil Sie es sich überlegt haben und tatsächlich ein Tier von uns übernehmen wollen. Wenn ich Ihnen das anmerken kann, dann werden Sie Ihre Katze bekommen. Womöglich sogar eine Devon Rex, vorausgesetzt, die kann Sie leiden.«
Chrissy stand da und wusste nicht, was sie noch erwidern sollte, da es nichts gab, was sie sagen konnte. Jeder Versuch, dieser Frau etwas zu erklären, war zum Scheitern verurteilt. Mit einem leisen »Auf Wiedersehen« wandte sie sich ab und verließ den Bürocontainer, um zu ihrem Golf zurückzukehren.
Auf dem Weg zu ihrem Wagen konnte sie nicht anders, als über die Worte dieser Frau nachzudenken. Sie hätte jetzt gern mit Valerie gesprochen, weil sie mit ihr eigentlich über alles reden konnte und weil ihre Freundin sie nicht vorverurteilte – jedenfalls normalerweise. Aber nach ihrer gestrigen Unterhaltung im Anschluss an Roberts Besuch war deutlich geworden, dass sie überhaupt nichts von dieser Idee hielt, sich eine Katze zuzulegen, nur um
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