Schmusekatze, jung, ledig, sucht
antwortete Chrissy ausweichend, aber dann bemerkte sie, wie der eben noch leicht argwöhnische Gesichtsausdruck der Frau immer deutlicher hervortrat. Sie musste irgendetwas Falsches von sich gegeben haben, auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, was das sein sollte.
»Bevor ich Ihnen eine Katze aushändige, müssen Sie mir diese ziemlich lange und komplizierte Geschichte schon erzählen.«
»Oh, das würde ich lieber vermeiden«, sagte sie. »Sie müssen wissen, die Geschichte ist auch noch ein bisschen peinlich … für mich«, fügte sie dann noch hinzu, als wäre das nicht offensichtlich. »Jedenfalls brauche ich schnellstens eine Devon Rex.«
» Wieso? Ist Ihnen eine abhandengekommen, und das soll jetzt niemand merken?«, forschte die ältere Frau nach.
Chrissy kratzte sich verlegen am Ohr. »Nein, nein, ich habe nur jemandem gegenüber behauptet, dass ich eine Devon Rex besitze, und jetzt muss ich die auch vorzeigen können, sonst blamiere ich mich.«
»Und ich kriege von unserer Geschäftsleitung ganz sicher einen auf den Deckel, sehr wahrscheinlich eine Abmahnung und vielleicht sogar die Kündigung, wenn ich Ihnen aufgrund dieser Geschichte eine Katze überlasse.«
» Wieso? Ich dachte immer, Tierheime sind froh, wenn sie ihre Tiere vermitteln können«, wunderte sich Chrissy. »Muss ich etwa auch noch eine Eignungsprüfung ablegen?«
» Wenn Sie einen Kampfhund haben wollen, dann ganz sicher«, erklärte die Frau hinter der Theke. » Wir vermitteln Tiere, das ist richtig. Und wir sind auch froh über jedes unserer Tiere, das wir vermitteln können. Aber wir geben einen Hund, eine Katze oder einen Zwerghamster nicht dem Erstbesten, der herkommt und so ein Tier haben will. Wir erwarten von Ihnen ein polizeiliches Führungszeugnis, einen aktuellen Allergietest von einem Allergologen, einen Verdienstnachweis und eine Schufa-Auskunft …«
»Ich möchte nur eine Katze haben, ich will nicht hier bei Ihnen einziehen«, wandte Chrissy ein.
»… und wir kommen erst einmal zu Ihnen nach Hause, um uns davon zu überzeugen, dass Ihre Wohnung oder Ihr Haus tiertauglich ist«, redete die Frau unerbittlich weiter. »Dann verbringen Sie mindestens einen halben Tag hier im Heim mit dem Tier, um zu prüfen, ob Sie beide zusammenpassen, und erst dann überlassen wir Ihnen das Tier zur Probe. In der Probezeit, die davon abhängt, welchen Eindruck wir von Ihnen bekommen, werden wir Sie in unregelmäßigen Abständen zu den unterschiedlichsten Zeiten besuchen, um zu sehen, wie das Tier bei Ihnen untergebracht ist. Wenn wir Zweifel haben, werden wir in der Nachbarschaft nachfragen, ob irgendjemandem etwas aufgefallen ist.«
Chrissy konnte es sich nicht verkneifen. »Haben Sie früher bei der Stasi gearbeitet?«
»Ihnen ist bestimmt klar, dass Sie mit solchen Bemerkungen keine Sympathien gewinnen können«, gab die Frau unbeeindruckt zurück. Warum hätte sie auch beeindruckt reagieren sollen? Sie saß schließlich am längeren Hebel. Wenn sie nicht wollte, bekam Chrissy nicht mal einen Goldfisch von ihr.
»Ich frage mich, wie Sie mit diesen Methoden überhaupt jemanden finden, der von Ihnen ein Tier haben will.«
»Mag sein, dass Sie das nicht nachvollziehen können, aber diese Methoden sind nötig, um zu verhindern, dass unsere Tiere in die Hände von irgendwelchen Spinnern geraten oder bei Leuten landen, die schon nicht genug Geld haben, um sich selbst zu ernähren. Im ganzen letzten Jahr hatten wir nur drei Fälle, in denen vermittelte Tiere uns zurückgegeben wurden, und in allen drei Fällen hatten sich die jeweiligen Lebensumstände auf eine unvorhersehbare Weise so drastisch verändert, dass diese zwei Hunde und eine Katze zu uns zurückkehren mussten. Eine Scheidung, ein Todesfall, ein Baby mit schwerer Allergie gegen Hundehaare.«
Chrissy hob ahnungslos die Schultern. »Ist das eine gute Quote? Ich kenne mich damit nicht aus.«
»Es ist eine exzellente Quote. Als ich hier vor über zwanzig Jahren anfing, da lag die Quote bei über zwanzig Prozent. Jedes fünfte Tier, das durch dieses Tor da vorn mit seinen neuen Besitzern in die Freiheit entlassen wurde, kam ein paar Tage oder Wochen später zurück. Was glauben Sie, was das für das Tier bedeutet, wenn es hier rauskommt und sich an ein neues Herrchen gewöhnt hat, und dann wird es hier wieder abgeliefert, nur um dann ein paar Wochen später erneut vermittelt zu werden?« Die Frau ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. »Das ist ein Stress, den
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