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Schmusekatze, jung, ledig, sucht

Schmusekatze, jung, ledig, sucht

Titel: Schmusekatze, jung, ledig, sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Sander
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früh, um in der Praxis von Dr. Silberbauer anzurufen. Die reguläre Sprechstunde begann erst um neun, davor sprang nur der Anrufbeantworter an, da die beiden Helferinnen mit Blutabnahmen und EKG s beschäftigt waren. Heute war Mittwoch, also wurde die Praxis um ein Uhr geschlossen. Wenn sie bis um neun wartete, lief sie Gefahr, dass sie auf den nächsten Tag vertröstet wurde, also half nur eins : hinfahren. Wenn sie erst mal schniefend und hustend an der Empfangstheke der Praxis stand, würde man sie so schnell nicht wieder wegschicken, und nur wenn sie dort persönlich aufkreuzte, konnte sie darauf bestehen, von ihrem Arzt behandelt zu werden.
    Der einzige Nachteil bestand nur darin, dass ihr Hausarzt seine Praxis gleich neben dem Worringer Carré hatte, was immer dann praktisch war, wenn sie auf dem Weg zur Arbeit dort vorbeigehen konnte. So aber bedeutete das eine Autofahrt in die Innenstadt, und zu der fühlte sie sich momentan nicht in der Lage, da sie im Gesicht so verquollen war, dass sie kaum aus den Augen schauen konnte.
    Nach einem hastigen Frühstück zog sie ihre Schuhe an, nahm eine etwas dickere Jacke von der Garderobe und ging mit der Handtasche unter den Arm geklemmt zur Tür. Als sie im Hausflur stand und abschloss, stutzte sie auf einmal, weil sie das Gefühl hatte, irgendetwas vergessen zu haben.
    Der Herd? Nein, den hatte sie nicht angemacht. Der Wasserkocher war ausgeschaltet, die Küchentür hatte sie zugezogen, damit die Katze nicht … die Katze ! Lady Penelope ! Sie hatte völlig vergessen, ihrer Katze etwas zu fressen zu geben ! Schnell schloss sie wieder auf und öffnete die Tür einen Spaltbreit, wie Sandra es ihr gezeigt hatte, damit ihre Mitbewohnerin nicht entwischen konnte. Mit einer Hand tastete sie nach dem Lichtschalter und machte das Licht im Flur an, um besser sehen zu können.
    Lady Penelope saß aber nicht bereits an der Tür, und als die weit genug geöffnet war, schob Chrissy den Kopf durch den Spalt. Die Katze war zwar aus dem Schlafzimmer gekommen, saß aber im Flur ganz hinten an der Tür zum Arbeitszimmer. Ihr Blick war auf Chrissy gerichtet, doch es schien ein interessierter, kein beleidigter Blick zu sein.
    »Ach, du Ärmste, ich hätte dich fast vergessen«, sagte Chrissy leise und nahm die Katze vorsichtig hoch, um sie an sich zu drücken. Das schien Lady Penelope zu gefallen, da sie den Kopf verdrehte und ihren Hals reckte, um irgendwie das Kinn an Chrissys Nase zu scheuern. »Aber ich bin zurückgekommen«, redete sie weiter, »und jetzt kriegst du auch noch was zu essen. Danach bin ich nur kurz weg, und solange ich nicht da bin, benimmst du dich bitte, okay?«
    Die Katze erwiderte natürlich nichts, fing jedoch an zu strampeln, als Chrissy mit ihr in Richtung Küche ging und die Tür öffnete. Dabei hatte sie nicht mit der Kraft gerechnet, mit der sich Lady Penelope aus ihrem Griff befreien wollte, und ehe sie sich’s versah, hatte die ihr mit der Hinterpfote einen Kratzer am Hals zugefügt, während ihre linke Hand mit den Krallen der linken Vorderpfote Bekanntschaft machte. Leise fluchend ging sie ins Badezimmer und hielt die blutende Hand unters Wasser, um das Blut abzuspülen, dann griff sie nach dem Wundspray und überzog den Handrücken und ihren Hals mit einer großzügigen Lage der antiseptischen Lösung.
    Während sie für den Hals mit einem kleinen Pflaster auskam, zogen sich die Kratzer so über den Handrücken, dass da nur noch ein Verband helfen konnte. »Na, das passt ja wenigstens zu meinem anderen Verband«, meinte sie ironisch und bemerkte auf einmal, dass Lady Penelope ins Badezimmer gekommen und rechts von ihr auf den Toilettendeckel gesprungen war, um sie von dort aus interessiert zu beobachten. Dabei hielt sie den Kopf ein wenig schräg, was den Eindruck erweckte, als tue es ihr leid, dass Chrissy so zugerichtet worden war.
    »Nein, ich bin dir nicht böse«, sagte Chrissy zu ihr, während sie die Mullbinde um die linke Hand wickelte. »Ich werde mir nur eine Notiz machen müssen, dass man hungrige Katzen niemals in die Küche tragen sollte.«
    Nachdem sie selbst verarztet und die Katze gefüttert war, unternahm Chrissy den zweiten Anlauf, die Wohnung zu verlassen. Sie begab sich niesend und hustend zum Taxistand an der Ecke, wo zum Glück ein freier Wagen wartete. Dem Fahrer sagte sie, nach Luft schnappend, wohin er sie bringen sollte, dann lehnte sie sich auf ihrem Platz auf der Rückbank nach hinten und schloss die Augen, während sie

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