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Schmusekatze, jung, ledig, sucht

Schmusekatze, jung, ledig, sucht

Titel: Schmusekatze, jung, ledig, sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Sander
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eine Satz hätte sie keine halbe Minute aufgehalten, aber Frau Hauser hatte in ihrer unnachahmlichen Art eine Geschichte gesponnen, die ihre Anfänge irgendwo in der Nachkriegszeit hatte, die von Urlauben am Lago Maggiore und von Ausflügen an irgendeine Talsperre in der Eifel erzählte, von Einkaufsfahrten nach Venlo und von Angstzuständen beim anschließenden Grenzübertritt nach Deutschland, weil zu befürchten gewesen war, dass die Zöllner die überzählige Stange Zigaretten und die drei Packungen Kaffee entdecken könnten, die sie zu viel mitgebracht hatte – und das alles nur, um schließlich zu erklären, dass ihre Jugendfreundin im letzten Jahr nach Heiligenhafen umgezogen war und Frau Hauser sie nun endlich besuchen wollte.
    Chrissy hatte nicht gefroren, als sie geduldig dagestanden und ihrer Nachbarin zugehört hatte, aber offenbar war es für sie doch zu kalt gewesen. Ihre Nase lief unaufhörlich, sie hatte Atemnot und musste immer wieder husten – insgesamt fühlte sie sich hundeelend.
    »Hm«, machte sie. »Schon eigenartig, dass man hundeelend sagt. Wieso nicht katzenelend? Fühlen sich Katzen denn nie elend und Hunde umso mehr?«
    Ein leises Miauen ließ sie nach rechts auf die andere Hälfte des Betts schauen, wo Lady Penelope sich soeben streckte und zu gähnen begann, wobei sie das Maul weit aufriss und ihre Ohren nach hinten wegklappten. Irgendwann am gestrigen Abend hatte sich die Katze aus dem Wohnzimmer zurückgezogen, während Chrissy noch eine Weile dagesessen und im Internet nach Tipps zur Katzenhaltung gesucht hatte. Zwar war sie in verschiedenen Foren auf interessante Themen und Anfragen gestoßen, doch ein genauerer Blick hatte das ergeben, was ihr schon zuvor bei anderen Foren aufgefallen war : Ein Schreiber stellte eine Frage an die Community oder wies auf einen nützlichen Artikel im Netz oder in einer Zeitschrift hin, und schon meldeten sich Dutzende von selbst ernannten Fachleuten zu Wort, die zunächst den Frager belehrten, weil er irgendetwas Falsches von sich gegeben hatte, und die sich anschließend über Hunderte von Beiträgen verteilt gegenseitig zu widerlegen versuchten. Wenn das nicht klappte – was natürlich nie der Fall war, schließlich wollte keine Seite einen Fehler einräumen –, wurden die Kontrahenten immer ausfallender und unverschämter, bis das ursprüngliche Thema längst vergessen war.
    Da diese Suche nichts ergeben hatte, war Chrissy gegen halb elf zu dem Schluss gekommen, dass es sinnvoller war, früher als üblich zu Bett zu gehen. Sie wusste nicht, ob Lady Penelope bislang nur deshalb so ruhig gewesen war, weil sie üblicherweise erst nachts die sprichwörtliche Sau rausließ. Für diesen Fall wollte Chrissy gewappnet sein und daher so viel Schlaf wie möglich bekommen.
    Als sie überall in der Wohnung noch ein letztes Mal nach dem Rechten gesehen hatte, war sie ins Schlafzimmer gegangen, wo sie eigentlich davon ausgegangen war, dass Lady Penelope es sich auf dem großen weichen Kissen unter dem Fenster bequem gemacht hatte. Tatsächlich hatte sie es sich auch auf einem Kissen bequem gemacht, allerdings nicht in der vermuteten Ecke, sondern auf dem Bett – auf der Seite, auf der Chrissy normalerweise schlief.
    Lady Penelope hatte sich so sehr auf ihrem Kissen zusammengerollt, dass Chrissy es nicht übers Herz gebracht hatte, sie aufzuwecken oder schlafend vom Kissen zu nehmen. Stattdessen hatte sie sich auf die andere, die ungewohnte Seite gelegt, wo sie dann aber trotzdem recht schnell eingeschlafen war. Ein paarmal war sie in der Nacht aufgewacht, doch die Katze hatte jedes Mal neben ihr auf ihrem Kissen gelegen und laut geschnarcht – zeitweise so laut, dass Chrissy darüber wach geworden war.
    Chrissy stand auf und schleppte sich ins Badezimmer, um sich zu waschen, was von beständigem Niesen und Husten begleitet wurde. Nach Luft schnappend, ging sie von dort in die Küche und stellte den Wasserkocher an, um einen Tee aufzugießen – mit einem großzügigen Löffel Honig, der hoffentlich ihren Husten etwas lindern würde.
    So wenig ihr der Sinn danach stand, aus dem Haus zu gehen, wusste sie doch, dass sie nicht einfach zu Hause bleiben und warten konnte, bis ihre Erkältung vorüber war. Das hatte sie vor ein paar Jahren auch schon versucht und war nur knapp einer Lungenentzündung entgangen, und seitdem verhielt sie sich bei Erkältungen vorsichtiger und ging lieber gleich zum Arzt.
    Sie sah auf die Uhr. Kurz nach halb neun.
    Das war noch zu

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