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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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tranken sie einen Gevrey-Chambertin, den Baltasar vier Stunden zuvor in einem Anfall von Vorbedacht entkorkt hatte.
    Das Telefon biß ein großes Stück aus der teigigen Behaglichkeit. Yü, den Baltasar noch auf dem Heimweg von Löwes Behausung über die neuen Funde unterrichtet hatte, verlangte dringend nach Matzbachs Gesellschaft.
    »Ich hab eben einen Anruf gekriegt, Junge«, sagte er. »Unser dummes Geschwätz von vor ein paar Tagen, du weißt schon, Kampfsportschule und derlei. Irgendwie war ich nach deinen Funden nicht mehr hinter Jüssen her, eher hinter Lanzerath. Von wegen Projekte, ja?«
    »Kluges Kerlchen. Und?«
    »Eben hat seine Sekretärin angerufen; Lanzerath will mich möglichst jetzt sofort sehen, oder andernfalls frühestens nächste Woche.«
    »Hilfe. Wie spät?«
    »Jetzt? Viertel nach acht. Ich soll gegen neun in seinem Domizil sein. Ziemlich weit draußen.«
    »Heißt?«
    Yü las von einem Zettel ab, den er beim Gespräch mit der Sekretärin beschrieben hatte. Ein Kaff, sagte er, kurz vor Bergheim, »geradeaus bis Kleinkleckersdorf und dann links, bis der Fuchs weit genug gegangen ist und den Hasen sieht, dem er Gute Nacht sagen will.«
    Matzbach stöhnte. »Na gut. Ich, eh, ich bin dein Kompagnon. Oder was auch immer. Ich will zusehen, daß ich pünktlich bin.«
    Es war eine ruhige Straße, an der in den letzten Jahren offenbar arg unterbezahlte Personen Landsitze hatten bauen lassen. Kein Grundstück kleiner als anderthalb Hektar, die meisten Häuser hinter Hecken oder Gebüsch verborgen und kaum in Rufweite voneinander. In ein paar Jahren, dachte Matzbach, würde hier ein Sonnenuntergang sehr pittoresk aussehen, sobald die frischen Bäume die Pubertät hinter sich hätten. Vor den Garagen standen Jaguare, BMWs, ein Cadillac, diverse Benz. Am Ende der Straße, neben dem Wendehammer, gab es ein paar ältere Bäume, unter denen Yü neben seinem rostigen Golf stand und wartete.
    »Fast pünktlich.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Und du meinst, deine normalen Klamotten reichen für so was?«
    Matzbach grinste. Der Chinese hatte sich in einen hellgrauen Sommeranzug gewühlt. »Danys Anregung? Ich nehme an, wenn der abends plötzlich Leute zu sich ruft, legt er keinen großen Wert auf Formalitäten.«
    »Na gut. Gehen wir.«
    Lanzeraths Hütte war zum Weg hin, der den Wendehammer verließ, von einem zwei Meter hohen Metallzaun geschützt; seitlich ging die Verschanzung in eine etwas niedrigere Holzkonstruktion über. Das Flügeltor war versperrt; Yü drückte die Klingel und neigte das Haupt vor der Sprechanlage.
    »Herr Yü? Moment bitte.«
    Trotz der üblichen Verzerrungen klang die Stimme angenehm weiblich. Yü zwinkerte. Als der Summer ertönte, drückte er die Tür auf und sagte dabei:
    »Müßte eigentlich die Sekretärin sein, wie’s klingt.«
    Hinter dem Haus knurrte etwas – ein Löwenkäfig? Umfangreiche Hunde, gemästet mit späten Besuchern?
    Die extrem schlanke, extrem blonde, extrem langbeinige Dame, die in einem engen, teuren Seidenkleid vor der großen, schweren Haustür wartete, schien die Frage auf Matzbachs Gesicht zu lesen, als er und Yü sich den Stufen näherten.
    »Zwei Rottweiler«, sagte sie. »Laufen manchmal frei herum, wenn es sinnvoll scheint. Kommen Sie. Sie sind …?«
    »Matzbach.« Er zog die kühle Hand in Mundnähe, deutete einen Kuß an. »Ich bin sein Kompagnon.«
    Die Dame nickte Yü zu und führte sie durch eine mit Delfter Kacheln gewappnete Diele zu einem salonartigen Wohnraum. Dort gab es einen marmorverkleideten Kamin, rote Ledersessel mit Schlappohren, eine durch Blümchenstoff behelligte Récamière, monströse Boxen, die zu einer chromstarrenden Anlage gehörten, an der auch der größte in Mitteleuropa lieferbare Fernseher samt zwei Videogeräten hing, und andere massige Möbel.
    Aus einem der Sessel erhob sich Evergislus Lanzerath. Die Fotos, fand Matzbach, taten ihm unrecht; er sah in Natur sowohl besser als auch eisiger aus. Er trug ein Polohemd und eine weiße Leinenhose; die bloßen Füße versanken im tiefen Teppich, der weiter hinten an ein dünneres Seidenobjekt grenzte. Lanzerath sah keineswegs aus wie sechzig – gute fünfundvierzig, ohne Fett, mit dezenten Muskeln; und ohne Gemüt. Aus den Blicken der hellblauen Augen, dachte Matzbach, hätte ein guter Schmied Dolche machen können.
    Nachdem die Förmlichkeiten erledigt waren und die junge Dame ihnen Scotch eingeschenkt hatte, wechselte sie einen Blick mit Lanzerath.

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