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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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»Brauchst du mich noch?«
    Er schüttelte nur den Kopf.
    »Dann wünsche ich ein angenehmes Gespräch; entschuldigen Sie mich, meine Herren.«
    Lanzerath kam sofort zur Sache. »Ich habe nichts gegen einen Kompagnon, Herr Yü; ich hätte nur gern von ihm gewußt, vorher. Aber egal. Weshalb ich Sie hierher gebeten habe statt in ein Büro …« Er lächelte ohne jede Herzlichkeit. Ein Alligatorlächeln, fand Matzbach. »Meine Mitarbeiterin sagte, Sie hätten am Telefon so geklungen, als ob Sie erstens bereits sehr genaue Vorstellungen hätten und zweitens nicht unbedingt Wert auf legalistische Verfahren legten.«
    Matzbach überließ Yü die Verhandlung. Er schien sich gründlich eingearbeitet zu haben, beschrieb ein Grundstück südlich von Frechen so detailliert, daß Matzbach es nicht für erfunden halten mochte, wartete mit präzisen Finanzierungsvorschlägen und mittelfristigen Profitkalkulationen auf und wirkte insgesamt wie ein bestens vorbereiteter Profi.
    Lanzerath stellte scharfe Gegenfragen, hakte hier und da nach, schien insgesamt nicht uninteressiert. Und warf sie nach etwa zwanzig Minuten höflich, aber bestimmt hinaus.
    »Das klingt alles ganz gut«, sagte er; dabei erhob er sich. »Ich danke für den Besuch und die Daten. Ich werde das mit meinen Fachleuten durchsprechen und melde mich dann, sobald ich genaue Unterlagen brauche.«
    Als sie wieder bei ihren Wagen angekommen waren, sah Yü sich noch einmal um. »Jetzt hat er die Hunde freigelassen«, sagte er. »Ziemlich kalter Fisch, was?«
    »Hai. Sind Haie eigentlich Fische oder Säugetiere?«
    Yü hob die Schultern. »Was auch immer – bei dem gibt’s keinen Tropfen Milch umsonst. Und Rogen sowieso nicht.«
    Das Treffen der Gesellschaft zur Stärkung der Verben e.V. fand wie immer in einem noblen Altbau im Kölner Süden statt. Auf der Fahrt (sie nahmen Matzbachs DS 21) erging Baltasar sich in Reminiszenzen, beschwor güldene Worte und bizarre Bildungen, gab Hermine einen Überblick über die spezifischen Formen des kreativen Wahnsinns, denen die Mitglieder des edlen Vereins oblagen.
    Im Kern, sagte er, gehe es um ein hübsches und völlig nutzloses Spiel. Anliegen der Vereinigung sei es, nach und nach alle schwachen Verben (die ohne Wandel des wichtigsten Vokals das Imperfekt durch angehängtes -te bilden) zu starken Verben zu machen, bei denen ein sonorer Konjunktiv mit Umlaut möglich werde.
    »Bilden«, sagte er, »zum Beispiel – Wörter bilden; bilden – buld – gebulden – o büldest du doch einen Konjunktiv.«
    »Nicht so ganz toll.« Hermine schüttelte den Kopf. »So ein eingeklemmtes i wird doch von vielen, nicht nur Norddeutschen, wie ein ü gesprochen. Wie wär’s mit bilden – bold – gebolden – o bölde man?«
    »Ich sehe, du hast es nicht nur verstanden, sondern sogar begriffen.«
    »Ich begroff.« Sie kicherte. »Und dann redet ihr den ganzen Abend lang so?«
    »Im Prinzip ja.«
    »Nenn mir noch ein paar schöne Beispiele, Dicker.«
    Matzbach grinste. »Wie du dir wirst denken können, war eines meiner liebsten immer schmusen, schmos, geschmosen; weil ich später gern mit Euch schmöse, Liebste.«
    Äußerlich hatte sich seit seinem letzten Besuch nichts geändert, wie er bald feststellte. An der Wand des Versammlungsraums, über dem langen Tisch, auf dem Häppchen und Schlückchen standen, prangte nach wie vor das Schild mit dem kategorischen Konjunktiv: Das Würde des Deutschen sei antastbar. Unter den Anwesenden – es mochten etwa zwei Dutzend sein, in der Mehrzahl Damen und Herren gesetzten Alters, aber auch eine Handvoll Studenten – waren viele bekannte Gesichter. Aber etwas irritierte Baltasar; etwas Ungreifbares, eine Stimmung.
    Dr. Gabrieli begrüßte Hermine mit einem Lächeln; nach ein paar unverbindlichen Nichtigkeiten sagte sie:
    »Herr Jüssen ist noch nicht gekommen; es ist auch nicht sicher, ob er erscheint. Aber …« Sie blickte zu einem schlanken Mittvierziger, der am anderen Ende des Buffets stand.
    »Sie kennen Herrn Holtmanns noch nicht, oder?«
    Der Mann trug grauen Rollkragenpullover unter grüner Cordjacke. »Sieht pädagogisch aus«, sagte Matzbach.
    »Wie recht Sie haben.« Gabrieli preßte die Lippen zu einem Strich. »Ich nehme an, daß er in den nächsten paar Monaten versuchen wird, den Verein hier zu entern.«
    »Wie meinen Sie das?« sagte Hermine. »Entern?«
    »Übernehmen.« Dr. Gabrieli nippte an ihrem Sekt. »Es geht um ernste Dinge – wenn man ihn hört, und offenbar schließen

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