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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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brachte mich schon wieder aus dem Konzept.
    »Was hat Sie denn bewogen, sich gerade bei uns zu bewerben?«, fragte er, als wir in seinem Büro saßen. Seinen Namen hatte
     er mir bisher nicht mitgeteilt und ich konnte mich auch nicht daran erinnern, dass in der Einladung der Name meines Gesprächspartners
     gestanden hätte. Der Mann ohne Namen hatte inzwischen Kaffee in Designertassen servieren lassen, bei denen ich nicht recht
     wusste, ob das geschwungene Ding am Rand der Tasse der Henkel seinsollte. ER lehnte sich in seinem schwingenden Lederstuhl so weit zurück, dass ich in seine Nasenlöcher schauen konnte. Das
     linke Bein hatte ER angewinkelt und auf das rechte Knie gelegt. Seine Beine waren rasiert. Vielleicht hätte ER meiner Oma
     doch nicht so gut gefallen.
    »Sie haben einen sehr guten Ruf in der Branche«, brachte ich hervor, obwohl ich innerlich die Augen verdrehte. Wie konnte
     man nur solch eine blöde Frage stellen? Ich war gekündigt, er hatte eine Stellenanzeige in der Zeitung geschaltet, da hätte
     es schon einen wirklich triftigen Grund geben müssen, damit ich mich
nicht
bei ihm bewerbe.
    »Denken Sie an eine besondere Kampagne, die Ihnen gefallen hat?«, fragte Herr Streich-mir-Honig-ums-Maul-Liebchen.
    Zum Glück hatte Troll mich auf solche und ähnliche Fragen vorbereitet und mir eine erstklassige Einweisung gegeben. Bei dem
     Gedanken an das Wort »Einweisung« musste ich mir ein Grinsen verkneifen. Das sollte man mit dem Typ auch mal machen. Ihn einweisen.
     Ich unterdrückte die vollkommen unpassende Heiterkeit, sammelte mich und beantwortete seine Frage. »Besonders gelungen fand
     ich die Windelwerbung mit den Babys unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Sehr integrativ.« Meine Antwort folgte Trolls Vorgabe:
     Kurzbeschreibung der Kampagne in fünf neutral formulierten Worten. Die subjektive Bewertung enthält maximal zwei Adjektive
     und fällt
immer
positiv aus. Egal wie bescheuert die Kampagne war.
    Der Wichtigtuer grinste ein selbstgefälliges Grinsen. Ich verbuchte einen Punkt für mich.
    »Auch der Spot für die Partnerzahnpasta war überraschend und witzig.« Kurzbeschreibung und zwei Adjektive. Die Formel war
     der Hit, das Ego meines Gegenübers blähte sich weiter auf.
    Ich hatte diesen Spot für die Zahnpastatube, die an beiden Enden eine Tülle mit Verschlusskappe hat, ein einziges Mal gesehen.
     Damals hatte ich mit offenem Mund gestaunt, für wie doof man die Kundschaft noch verkaufen könnte, bevor die Zähneputzer der
     Nation sowohl den Tubenhersteller als auch den Werbeverantwortlichen lynchen und öffentlich am höchsten Gebäude der Stadt
     aufhängen würden. Diese Meinung hatte ich Troll nicht verheimlicht, aber sie hatte mich ausgelacht. Natürlich sei die Zahncremetube
     nicht benutzerfreundlich und natürlich sei auch der Spot ziemlich dämlich, aber das habe nichts damit zu tun, dass die Kampagne
     eben doch wegweisend sei. Punkt. Ich verkniff mir die Frage, wohin dieser Weg wohl weisen würde. Zum Glück konnte Troll jeder
     Kampagne, die in den letzten fünf Jahren gelaufen war, sofort die korrekte Agentur zuordnen, die sie kreiert hatte. Ich hatte
     noch nie darauf geachtet, wäre also für die Vorstellungsgespräche ohne meine Beraterin schlecht gerüstet gewesen. Ich dankte
     Troll im Stillen für ihre geduldigen Unterweisungen.
    Jetzt saß ich also im Büro dieser Mensch gewordenen Demonstration männlicher Eitelkeit und warf ihm artig die vorgekauten
     Häppchen hin, mit denen er sein Selbstwertgefühl aufpäppeln konnte. Bitte, wenn’s mir zu einem Job verhilft, dachte ich.
    Tat es aber nicht. Die Absage kam drei Tage später, man habe sich für eine andere Bewerberin entschieden und bitte mich, dies
     nicht als Entscheidung gegen mich aufzufassen. Schon wieder so ein unsäglicher Schwachsinn. Langsam wurde ich es leid.
     
    »Ich habe siebzehn Praktika absolviert und vor jedem einzelnen standen im Schnitt zehn Bewerbungsgespräche«, erklärte Troll
     mir reichlich ungerührt, als ich ihr mein Leidklagte. »Du hast einfach zu wenig Übung und siehst die Sache zu eng. Man sollte ein solches Vorstellungsgespräch nicht zu
     ernst nehmen, sonst wird es mühsam.«
    »Du hast gut reden«, sagte ich. »Für mich ist es ernst. Es geht um meinen Job.«
    Troll blickte mich irritiert an. »Für mich ging es auch immer um einen Job«, entgegnete sie. »Aber deshalb muss man sich trotzdem
     nicht wie das Kaninchen vor die Schlange setzen und artig reagieren,

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