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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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musste meine gesamte Willenskraft aufbringen, um nicht »keinesfalls« auszurufen und im Laufschritt das Weite zu suchen.
    »Nein«, sagte ich wahrheitsgemäß, aber dann zügelte ich mich. »Ich bin nicht sehr gut in solchen Dingen. Aber ich habe qualifiziertes
     Personal, das entsprechend ausgebildet ist.«
    Diesen Satz hatte ich schon mehrfach formuliert und jetzt war ich froh, darauf zurückgreifen zu können.
    »Was kostet das?«, fragte Herr Schott.
    »Das kommt darauf an«, erwiderte ich. »Welche Leistungen benötigen Sie?«
    Er beschrieb die Größe seiner Wohnung, die er nur an vier Tagen in der Woche bewohnte, weil sein eigentliches Heim dreihundert
     Kilometer südlich stand. Sauber machen, Wäsche waschen, bügeln, Anzüge zur Reinigung bringen und abholen. Dafür sorgen, dass
     der Kühlschrank am Montagabend mit einigen frischen Lebensmitteln bestückt ist und einen kalten Imbiss für eine Person vorbereiten.
     Max Musterkunde.
    Ich nannte ihm die Preisspanne pro Stunde und wies darauf hin, das Objekt sehen zu müssen.
    Er blickte mich mit gerunzelten Augenbrauen an.
    »Ist Ihr Unternehmen illegal? Tun Sie etwas Kriminelles?«, fragte er plötzlich.
    Ich fühlte, wie mir schwindlig wurde, und glaubte, mich verhört zu haben. Antworten konnte ich nicht, aber er schien auch
     keine Erwiderung erwartet zu haben.
    »Wie alt sind Sie?«, fragte er weiter.
    »Einunddreißig«, antwortete ich reflexartig, als säße ich bereits auf dem Polizeirevier und gäbe meine persönlichen Daten
     zu Protokoll. Ich biss mir auf die Lippen. Was ging den Typ mein Alter an?
    »Ihre Werbung ist sehr gut gemacht«, sagte Herr Schott, »Ihre Zielgruppe ist exklusiv und finanzkräftig. Schicke Häuser, teure
     Einrichtungen, und zu all dem bekommen Sie den Schlüssel. Auf Vertrauensbasis.«
    Ich schluckte. Da war sie bereits, die Unterstellung, dass ich mein Unternehmen gegründet hatte, um in teure Residenzen zu
     kommen. Ich wollte zu einer Rechtfertigung ansetzen, aber Schott winkte ab.
    »Was glauben Sie, warum ein Mann vier Euro achtzig für eine Tasse Espresso bezahlt, wenn es um die Ecke genauso guten Kaffee
     für die Hälfte gibt? Warum trägt jemand Markenanzüge, obwohl weder Stoffqualität noch Schnitt den dreifachen Preis rechtfertigen?
     Oder kauft unbequeme italienische Schuhe, die nach einer Saison kaputt sind, obwohl man einen soliden deutschen Schuh für
     die Hälfte bekommen hätte, der zehn Jahre hält.«
    Jetzt kam ich nicht mehr mit. Was hatte das mit den kriminellen Machenschaften meines Unternehmens zu tun?
    »Der aufgeklärte Erfolgsmensch, den Sie sich als Zielgruppe ausgesucht haben, gönnt sich eine gewisse Exklusivität, die eben
     ihren Preis hat.« Er lächelte plötzlich. »Und Sie machen einen durchaus exklusiven Eindruck, wenn ich mir die Bemerkung erlauben
     darf.«
    Was war das jetzt? Ein Kompliment? Dieser Typ brachte mich völlig aus dem Konzept. Erst klagt er kriminelle Machenschaften
     meines Unternehmens an und dann schiebt er ein Kompliment hinterher? Wovon, zum Teufel, sprach der Mann?
    »Sie wollen für Menschen arbeiten, die es sich leisten können, einem Unternehmen wie Ihrem die Haushaltsführung zu übertragen.
     Das sind keine kleinen Krauter, die eine ausländische Putzfrau illegal beschäftigen. Erhöhen Sie die Preise, Ihre Kundschaft
     kann es sich leisten«, sagte er und sah mich auffordernd an.
    Ich atmete langsam aus. Das hatte er gemeint? Und ich hätte ihm beinahe die Autoschlüssel in die Hand gedrückt und gestanden,
     dass dort eine Leiche drinlag, damit er mit seinen Psycho-Spielchen aufhörte.
    Aber er war noch nicht fertig mit seiner Rede: »Und wenn ich Ihnen noch einen Rat geben darf«, fuhr er ohne Pause fort, »treten
     Sie selbstbewusster auf.«
    Super Idee! Mit einem Bein im Gefängnis, geschwächt durch Krankheit und Schlafmangel, war mangelndes Selbstbewusstsein sicherlich
     nicht mein größtes Problem.
    Er erhob sich. »Kommen Sie mit.« Sein Tonfall duldete keinen Widerspruch. Oder genauer gesagt: Er klang, als käme er gar nicht
     auf die Idee, dass ein Widerspruch von mir kommen könnte.
    Ich jedenfalls war erleichtert, dass ich nicht unter Anklage stand, verwirrt über die Aufforderung eines Kunden, ihm mehr
     Geld abzuknöpfen, unfähig, in der ganzen Situation einen klaren Kopf zu behalten, und froh, dass mir jemand sagte, was ich
     tun sollte. Ich gehorchte.
    Vor der Tür blieb er stehen. »Jetzt üben wir Ihren Auftritt. Sie gehen hinaus und

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