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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Seminar heute Nachmittag war doch noch ein Platz frei, richtig? Der ist jetzt gerade vergeben. Die junge
     Dame heißt Leyendecker, Corinna   … mit C.«
    Ich sackte zusammen. Ich habe es immer gehasst, wenn andere Leute über meinen Kopf hinweg über mich entschieden hatten, mich
     aber selten dagegen wehren können. Und gerade heute passte mir ein zusätzlicher Termin überhauptnicht in den Kram. Überhaupt, was sollte das sein? Ein Business-Stilseminar?
    Schott hatte derweil das Telefonat beendet, kam zurück zur Sitzgruppe, gab mir die Adresse seiner Wohnung und die des Weiterbildungszentrums,
     in dem das Seminar stattfinden würde, und kündigte an, sich bei unserem Treffen später am Tag nach meiner kritischen Meinung
     über dieses Seminar zu erkundigen. Immerhin wollte der Initiativkreis Feedback haben, um Seriosität und Nutzen des mitfinanzierten
     Starthilfeangebots beurteilen zu können.
    Ich drückte noch einmal seine Hand, packte meine schicke Ledermappe unter den Arm und wankte völlig entkräftet zu meinem Auto.
     
    Ich stieg ein, nahm den Parkschein vom Armaturenbrett, steckte ihn ordentlich in das für diese Art von Kleinbelegen vorgesehene
     Fach meines Portemonnaies und ließ den Motor an. Ich drehte den Kopf, um aus der Parklücke zu fahren, und entdeckte im Rückspiegel
     die Auslage einer Buchhandlung, die mich auf eine Idee brachte. Vielleicht fände ich dort eine Lösung für mein derzeit drängendstes
     Problem. Ich stieg wieder aus, schloss das Auto sorgfältig ab, vergewisserte mich noch einmal, dass die Heckklappe zu war,
     und ging in den Buchladen, in dem ich nach langem Suchen einen Stadtplan von Düsseldorf, eine Ausflugskarte von der Umgebung
     und den Regio-Führer »Romantische Flecken für Verliebte   – Düsseldorf und Bergisches Land« erwarb. Vielleicht konnte ich auf diese Art einen abgeschiedenen Ort finden, der sich für
     das Abladen einer Leiche eignete. Mit Verliebten, die die Einsamkeit stören würden, war an einem bitterkalten Abend Anfang
     März jedenfalls wohl nicht zu rechnen.
     
    Als ich zu meinem Auto zurückkam, blieb mir vor Schreck beinahe das Herz stehen.
    Mein Auto hing am Haken eines Abschleppwagens. Das konnte doch nicht sein! Ich hatte doch extra die längstmögliche Zeit am
     Parkautomaten   … Ich Idiotin. Den Parkschein hatte ich ja schon eingesteckt, bevor ich in den Buchladen gegangen war.
    Ich blieb schwankend stehen, starrte auf das Schauspiel, das die beiden Männer in gelben Warnwesten zum Besten gaben, und
     spielte mit dem Gedanken, mich umzudrehen und einfach wegzugehen. Ich könnte bei der Polizei eine Diebstahlsanzeige meines
     Wagens aufgeben und hoffen, auf diese Art aus der Sache herauszukommen. Aber ein winziger, offenbar noch betriebsbereiter
     Teil meines Hirns erinnerte mich daran, dass diese Art von Lügen niemals gut ging. Bei anderen nicht und bei mir schon gar
     nicht. Ich werde rot beim Lügen, verhasple mich, widerspreche mir selbst und würde mit einer derartigen Anzeige vermutlich
     meine Verhaftung nur beschleunigen. Also ging ich auf die Abschlepper zu und räusperte mich, bis sie mich bemerkten.
    »Entschuldigen Sie, aber hier muss ein Missverständnis vorliegen«, brachte ich hervor. Ich hörte deutlich die Panik in meiner
     Stimme. »Ich habe doch einen Parkschein bis zwölf Uhr gezogen.«
    »Wir handeln nur auf Anweisung«, knurrte der Dicke. Sein Tonfall war nicht unfreundlich, sondern eher desinteressiert.
    Der Jüngere blickte mich verzückt an.
    »Sehen Sie doch, hier«, flehte ich und kramte mit zitternden Händen den Parkschein aus meinem Portemonnaie. Der Jüngere warf
     einen kurzen Blick darauf und öffnete den Mund, aber der Dicke kam ihm zuvor. »Wenn wir denWagen erst mal am Haken haben, können wir den nicht mehr losmachen.«
    »Der Schein ist aber wirklich   …«, murmelte der Jüngere.
    »Im Handtäschchen nutzt das Ding nichts, junge Dame«, erklärte der Dicke jovial. »Das Scheinchen muss sichtbar im Auto liegen.«
    Der Jüngere verzog das Gesicht zu einer mitleidigen Grimasse.
    »Aber wenn ich ein paar Minuten früher und Sie ein paar Minuten später gekommen wären, dann wäre der Wagen ja schon weg gewesen
     und Sie hätten ihn nicht abschleppen können«, sprudelte ich hervor. Meine Stimme klang so, wie ich mich fühlte: Kraftlos,
     leicht hysterisch, kurz davor, in Tränen zu ersticken. Meine sorgfältig gefönte Frisur war in dem leichten Schneefall zu einer
     schmutziggelben,

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