Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
der sich um die Obdachlosen kümmert. Der kann immer
     gut erhaltene Kleidung für seine, äh, Kunden brauchen.«
    »Die Sachen hier stammen von meinem Opa, der ist in den letzten Kriegstagen gefallen. Fünfundvierzig. Oma konnte sich nie
     von dem Kram trennen und erst jetzt, wo sie tot ist   …« Ich konnte nicht weitersprechen. Wie war ich bloß auf diese abstruse Geschichte gekommen? Insgeheim bat ich Oma um Verzeihung,
     dass ich ihren Mann um mehr als vierzig Jahre seines Lebens betrogen und sie gleich mit getötet hatte. Hoffentlich ging es
     ihr gut, war mein nächster Gedanke. Immerhin war sie auf einer vierwöchigen Rundreise in Zentralasien.
    »Na, wenn die Sachen nicht mehr brauchbar sind, bleibt wohl nur die Müllabfuhr. Aber nicht irgendwo in den Wald kippen, hören
     Sie?«
    Er sah mich streng an.
    Ich hatte schwarze Punkte vor Augen bei seiner Bemerkung,schüttelte aber schnell den Kopf, um ihm klarzumachen, dass ich nicht zu denen gehöre, die nachts im Wald Müll abladen.
    »Dann machen Sie, dass Sie nach Hause kommen und legen Sie sich ins Bett«, sagte der Polizist freundlich, tippte sich an die
     Mütze und ging zurück zu seinem Kollegen. Der Wagen fädelte sich in den Verkehr ein und ich stand allein am Straßenrand. Ich
     ließ mich gegen die Heckklappe sinken. Meine Nerven waren kurz vor der Auflösung, ich zitterte am ganzen Körper. Ich fühlte
     mich definitiv nicht mehr in der Lage, eine Leiche zu entsorgen, ja nicht einmal darüber nachzudenken, wo ich dies am besten
     bewerkstelligen könnte. Ich öffnete die Heckklappe einige Zentimeter, fummelte das Stückchen Stoff hinein und knallte sie
     wieder zu. Dann fuhr ich nach Hause, parkte den Wagen mitsamt Fracht ordnungsgemäß in einer Parkbucht, trank den Rest des
     Erkältungssaftes auf ex und fiel, noch halb angezogen, ins Bett.
    Das ist jetzt drei Tage her.

7
    Als ich am Morgen nach der grausigen Entdeckung in Lauensteins Kühlhaus mit leichter Verspätung aus meinem Erkältungssaft-Delirium
     erwachte, waren die Krankheitssymptome zurückgegangen, nur das wattige Gefühl im Kopf war unverändert stark. Lag das nun an
     der Erkältung oder an den grässlichen jüngsten Ereignissen? Sofort erschien alles wieder vor meinem geistigen Auge und ich
     erschrak aufs Neue. Ich hatte einen Toten im Haus meines Kunden gefunden und – weitaus schlimmer – ihn in den Kofferraum meines
     Autos gesteckt. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Jetzt musste ich mit einer Leiche im Kofferraum mehrere Geschäftstermine
     absolvieren. Ich ging zum Fenster und traute mich kaum, eine der Lamellen zur Seite zu schieben in der Erwartung, eine ganze
     Traube von Menschen um mein Auto herumstehen zu sehen, dessen offene Kofferraumklappe den Blick auf einen toten Obdachlosen
     freigab, der zusammengefaltet gerade so in meinen Kleinwagen passte. Mit einer riesigen Willensanstrengung bewegte ich eine
     Lamelle und sah mein Auto in der Parkbucht stehen. Kein Mensch weit und breit. Mir kamen vor Erleichterung die Tränen. Allerdings
     nur kurz, denn schnell fiel mir wieder ein, dass das eigentliche Problem weiterhinbestand. Und ein Blick zur Uhr sagte mir, dass ich es vor meinem ersten Termin des heutigen Tages nicht würde lösen können.
    Auf die Idee, den Termin abzusagen, kam ich, ehrlich gesagt, gar nicht. Ich war ja jetzt Geschäftsfrau mit Verantwortung.
    Ich duschte im Eilverfahren, zog meine beste schwarze Hose, eine weiße Bluse mit Biesen und das wärmere der beiden Jacketts
     an, tropfte mir ein Erkältungsmittelchen in die Augen, sprühte ein anderes in die Nase, lutschte ein Halsbonbon vor und eins
     nach dem Erkältungstee und verließ im Laufschritt das Haus. Zum Glück hatte der nette Nachbar den Bürgersteig vor dem Haus
     bereits vom Schnee befreit und mit Salz bestreut, sonst wäre ich in meinen schicken Lederschuhen vermutlich direkt unter meinen
     Leichenwagen gerutscht. So überstand ich die ersten paar Meter unfallfrei.
     
    Ich bin immer eine vorsichtige Autofahrerin gewesen, aber so vorsichtig wie an dem Tag war ich in meinem ganzen Leben noch
     nicht gefahren. Ich blieb auf der rechten Spur, beschleunigte vorsichtig, bremste eher zu früh als zu spät, aber auch nicht
     abrupt, damit mir nur ja niemand von hinten auffuhr. Ich blinkte absolut vorschriftsmäßig und parkte meinen Wagen eine halbe
     Stunde später auf der Kö, auf der ich einen ordnungsgemäßen Parkplatz fand. Ich fütterte die Parkuhr mit meinem gesamten Kleingeld,
    

Weitere Kostenlose Bücher