Schmutzengel
Problem in meiner Wohnung. Ich habe ein kleines Unternehmen, das Dienstleistungen im Haushalt anbietet,und brauche für einen meiner Kunden einen Elektriker. Einen richtigen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Aber ich
bin
Elektriker«, erklärte mein Nachbar mit durchgedrücktem Rücken. »Meister!«
»Wirklich?«, fragte ich nach.
Er nickte würdevoll.
Vermutlich stammte sein Meisterbrief aus einer Zeit, in der noch Sütterlin geschrieben wurde.
»Was haben Sie denn für ein Problem?«, fragte mich Meister Metzenrath und lächelte mit schräg gelegtem Kopf.
Ich umriss es in knappen, natürlich laienhaften Worten.
Seine Augen strahlten. »Ich habe dreißig Jahre in Eindhoven gearbeitet. Bei Philips, Sie wissen schon.«
Ich wusste leider nicht, und das sah man mir wohl auch an.
»Wir haben schon in den Siebzigern das Haus der Zukunft entwickelt. Intelligentes Home-Management, vernetzte Hausgeräte und
solche Sachen.«
Haus der Zukunft? Siebzigerjahre? Der Tonfall meines Nachbarn wurde jetzt drängender.
»Einige der Steuerungen, die dieser Kunde in seinem Haus hat, habe ich vermutlich selbst mit entwickelt.« Er strahlte, als
habe er mir gerade die Lottozahlen vorhergesagt. »Na ja«, lenkte er ein, »natürlich gab es immer einen leitenden Ingenieur
im Team, aber wenn man eine Idee wirklich in die Tat umsetzen will …«
Ich hatte jetzt wirklich keine Zeit, mir die Organisationsdiagramme niederländischer Entwicklungsteams erläutern zu lassen,
freute mich aber wie eine Schneekönigin, einem früheren Mitglied derselben gegenüberzustehen, und fragte hastig: »Haben Sie
ein Auto?«
»Oh. Nein.« Herr Metzenrath ließ die Schultern hängen.
»Aber Werkzeug haben Sie da?«
Er nickte, wieder etwas hoffnungsvoller.
Ich überlegte. Am Auto musste es nicht scheitern, ich konnte ihn schnell zu Lisbeth fahren.
»Suchen Sie ihr Werkzeug zusammen, ich bin gleich wieder da.«
Ich spurtete in meine Wohnung, zog meine Jeans aus und Businessklamotten an, da ich gleich weiter musste zu einem Akquisetermin,
und trat wieder auf den Bürgersteig. Drei große Werkzeugkoffer standen vor meinem Auto.
»Machen Sie doch bitte den Kofferraum auf, dann kann ich schon mal einladen.«
Ich blickte sprachlos zwischen meinem Nachbarn und seinen Werkzeugkisten hin und her.
»Geben Sie mir den Schlüssel.«
Er versuchte, mir den Autoschlüssel aus der Hand zu nehmen, aber ich krampfte die Finger darum, als ginge es um Leben und
Tod. Was ja gewissermaßen auch den Tatsachen entsprach.
»Das können Sie doch auf die Rückbank stellen«, sagte ich.
»Besser nicht, die Kisten sind untendrunter schmutzig und rau. Sie könnten die Polster beschädigen.«
»Haben Sie keine Decke, die Sie drunterlegen können?«
»Nein. Warum auch? Wir stellen sie in den Kofferraum. Da sind sie auch leichter hinein- und herauszuheben.«
Er hatte immer noch die Hand nach dem Autoschlüssel ausgestreckt.
»Der Kofferraum ist voll.«
»Oh, haben Sie Getränkekisten drin? Die kann ich Ihnen ja schnell in die Wohnung bringen.«
Ich starrte ihn wie ein hypnotisiertes Karnickel an, machte den Mund auf, aber mir fiel nichts mehr ein.
»Äh, nein«, brachte ich nur raus.
Ich schloss für einen Moment die Augen, öffnete sie wieder und griff nach dem Handy.
»Ich rufe Ihnen besser ein Taxi.«
Wie Lisbeth mir später in ihrer unvergleichlichen Art berichtete, beugte sich Herr Metzenrath nach seiner Ankunft in Herrn
Webers »Haus der Zukunft« über den eineinhalb Quadratmeter großen Schaltplan, der die Verkabelung der futuristischen Wohnstätte
darstellte, und studierte diesen ungefähr vier Minuten lang völlig reglos. Dann ließ er sich von Lisbeth den Hauptverteilerkasten
zeigen, fragte, welche Funktion sie heute nicht bräuchte, denn offenbar sei die Hauptleitung schlicht und einfach von der
Menge der Stromverbraucher überlastet, und klemmte die automatische Feuchtemessung der Blumenbeete ab, die angesichts der
Schneefälle der vergangenen Tage sowieso überflüssig war. Bei der Kühlschranküberwachung verlängerte er die Übertragungsintervalle
zur elektronischen Einkaufsliste von dreißig Minuten auf acht Stunden und die automatische Rollladenfunktion würde ab sofort
nur noch zwischen achtzehn Uhr abends und acht Uhr morgens in Fünfzehn-Minuten-Intervallen gemessen. Er wechselte die durchgebrannte
Sicherung aus und klemmte zwei weitere Stromverbraucher von der Sicherung des Küchenbereichs ab und
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