Schmutzengel
an die Umwälzpumpe des
Gartenteichs an, da an diesem Regelkreislauf noch Kapazität vorhanden war.
Lisbeth wäre nicht sie selbst, wenn sie sich nicht alle diese Details bis ins Letzte gemerkt und auf der entsprechenden Karteikarte
vermerkt hätte, damit sie erstens dem Kunden Rede und Antwort stehen und zweitens bei einem ähnlichen Problem demnächst bereits
ein gewisses Vorwissen zur Verfügung stellen könnte.
Mit Herrn Metzenrath schien sie gut auszukommen,denn er durfte ihr nach Erledigung der elektrischen Umbauarbeiten sogar bei der Vorbereitung der Häppchen helfen. Ausnahmsweise
natürlich nur, da sie wegen des technischen Problems etwas in Zeitverzug gekommen war.
Mit triefender Nase, tränenden Augen und flatternden Nerven absolvierte ich meine Akquisetermine. Termin Nummer eins und zwei
waren Routine, Termin Nummer drei begann damit, dass ich die angegebene Adresse nicht fand. Moorenstraße fünf. Das war irgendein
Institut, dessen Namen ich am Telefon nicht richtig verstanden hatte, auf dem Gelände der Uniklinik Düsseldorf. Oder war das
ein anderer Kunde gewesen? Ich war mir, bei all den Telefonaten der letzten Tage, nicht mehr sicher, ob ich immer die richtigen
Stimmen den richtigen Terminen zuordnete. War das der Typ gewesen, der mich im Auto erreicht hatte? An das Telefonieren während
der Fahrt über die Freisprecheinrichtung musste ich mich erst noch gewöhnen. Oder der Interessent mit dem Baulärm im Hintergrund?
Ich erinnerte mich nicht, versuchte nur, den hingekritzelten Richtungsangaben zu folgen, und hatte mich bald hoffnungslos
verfahren. Ich hielt an, als ich zwei Frauen in weißen Kitteln über die Straße hasten sah.
»Moorenstraße 5?« Ihr Blick wurde mitleidig, schien mir. »Das ist nicht so schwer zu finden, zweimal rechts und dann die kleine
Stichstraße nach links.« Ich bedankte mich.
»Alles Gute«, wünschte sie mir noch zum Schluss.
Jetzt fand ich den Weg schnell und stand – vor dem Institut für Rechtsmedizin. Ich starrte auf das Schild und spürte das hysterische
Kichern wieder in mir aufsteigen. Ich saß mit zuckenden Schultern im Auto und wartete, bis ich mich wieder einigermaßen beruhigt
hatte. Daher auch das Mitgefühl der beiden Weißkitteldamen. Vermutlich kamenhierher Menschen, um Angehörige zu identifizieren. Da hatte ich zum Glück einen angenehmeren Grund für meine Anwesenheit.
»Ich möchte zu Herrn Thon«, sagte ich der netten Dame am Empfang.
»Ich sage ihm Bescheid. Moment bitte.«
Ich musste nicht lang warten, bis ein eher jugendlich wirkender Mann mit wehendem Kittel durch die Schwingtür trat. Er streckte
mir die Hand entgegen. Ich zögerte.
»Schon okay, viele Leute geben mir ungern die Hand«, sagte er grinsend.
Ich spürte, dass ich rot wurde. »Ich möchte Sie nicht anstecken«, entgegnete ich und sprach dabei absichtlich durch die Nase.
»Meinen Patienten wäre das egal.« Wieder dieses jungenhafte Grinsen. »Kommen Sie mit.«
Er führte mich eine Treppe hinunter in einen Gang, der von flackernden Neonröhren erhellt wurde. Weiter hinten ging eine Tür
auf und eine Bahre mit einer von einem weißen Tuch verdeckten Gestalt darauf wurde von einer Frau in den Flur geschoben. Ich
blieb stehen, als sei ich gegen eine Wand gelaufen.
»Ist Ihnen nicht gut?«, fragte Thon mit besorgtem Gesichtsausdruck. »Wir gehen gleich in mein Büro, ich muss hier nur noch
schnell etwas abgeben.«
Er musterte mich mit Sorgenfalten auf der Stirn. »Okay, Planänderung. Sie sind ganz bleich, da nehmen wir lieber gleich den
Aufzug.« Herr Thon, vermutlich Herr Doktor Thon, aber das hatte er weder am Telefon noch gerade eben gesagt, nahm mich am
Arm und schob mich zum nächstgelegenen Aufzug.
Ein Lastenaufzug. Groß genug, um Bahren oder Särge oder sonstige Behältnisse mit Leichen drauf oder drin zutransportieren. Ich fühlte, wie mir das Blut in den Magen sackte.
»Es dauert nur dreißig Sekunden bis in mein Büro. Da bekommen Sie ein Glas Wasser und eine schöne Aussicht auf den blauen
Himmel.«
Lügner, dachte ich, während sich auf meiner Stirn die Schweißtröpfchen sammelten. Der Himmel ist grau und düster und bedrohlich
und sieht nach noch mehr Schnee aus.
»Entschuldigen Sie bitte. Ich bin manchmal etwas gedankenlos. Mir macht die Umgebung nichts mehr aus, daher vergesse ich immer
wieder, dass andere Menschen sich hier unwohl fühlen.«
Ich saß oder besser gesagt hing auf seinem Besucherstuhl
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