Schmutzengel
und hatte das Glas abgestellt, damit es nicht aus meinen zitternden
Händen fiel. Alle möglichen Gedanken schossen mir durch den Kopf, einer absurder als der andere. Was wäre, wenn ich Herrn
Dr. Thon mein Kofferraumproblem einfach vor die Tür kippen würde? Wäre dann gleich die Polizei mit im Spiel? Ich könnte ihn aber
auch gleich mal fragen, wo man einen Toten denn am besten loswird. Er hätte bestimmt eine Idee. Mit einem Stein um den Fuß
im See versenken oder in eine Baugrube werfen, die am nächsten Tag betoniert würde, oder ab in den Rhein damit, dann könnten
die Holländer sich mit dem Problem befassen.
Doch statt zu fragen lächelte ich. Thon lächelte zurück.
»Sollen wir lieber über meine unaufgeräumte Wohnung reden?«
Ich nickte. Er sprach über seine Abneigung gegen das Aufräumen, das Putzen, das Waschen und das Bügeln und erzählte, dass
er sich in seiner Wohnung eigentlich ganz wohl fühle. Allerdings gäbe es da diese Frau in seinem Leben. Der Herr Doktor wurde
rot. Sie fände seine Junggesellenbudegrässlich und lehne es ab, ihn dort zu besuchen, geschweige denn, zu übernachten. Das müsse sich ändern, daher brauche er
Hilfe. Ich erläuterte unser Dienstleistungsangebot und nannte die Preisspannen und er war sehr angetan von allem und erteilte
mir mit Freuden den ersten Auftrag. Wir verabredeten einen Termin für die Wohnungsbesichtigung und er sah erleichtert aus.
Wieder konnte ich einem Menschen bei der Lösung seiner Probleme helfen. Und wann half mir bitte schön mal jemand, mein Problem
zu beseitigen?
11
Soweit mein Katastrophenbericht der vergangenen Tage. Es ist Freitag, der Tote liegt nun seit drei Tagen in meinem Kofferraum.
Meine Nerven werden das Wochenende nicht überleben, wenn er nicht endlich verschwindet. Heute Abend muss es über die Bühne
gehen! Die Voraussetzungen hierfür sind allerdings verheerend: Meine Erkältung hat sich zurückgemeldet, ich habe hohes Fieber
und befürchte, die nächsten Tage nicht ganz zurechnungsfähig zu sein.
Dennoch fahre ich bei einsetzender Dämmerung los. Ich ignoriere, dass ich nach wie vor keinen genauen Plan habe. Den Rhein
habe ich ausgeschlossen, weil ich Angst habe, dass er die Leiche an der nächsten Buhne wieder an Land wirft. Eine Baugrube
ist ungünstig, denn im Winter wird sowieso wenig betoniert und schon gar nicht am Samstag. Der See gefällt mir aus rein praktischen
Gründen nicht. Erstens kenne ich nur den Unterbacher See, und an dem herrscht ständig Verkehr von Joggern mit Stirnlampen
und Hundehaltern mit ihren Viechern. Zweitens wüsste ich nicht, wo ich dort ein Boot herkriegen sollte, geschweige denn unauffällig
eine Leiche hineinbugsieren. Drittens habe ich keinen schweren Stein und viertens keine Kette, mit der ich ihn dem Toten an
die Beine hängen kann. Selbst wennall das funktionieren würde, würde ich vermutlich bei dem Versuch, die Leiche zu versenken, selbst über Bord gehen. Das Wasser
ist einfach nicht mein Element.
Vielleicht macht es mehr Sinn, an den Ort zurückzukehren, an dem ich den Toten gefunden habe. Er hat sich in den letzten Stunden
seines Lebens in Oberrath aufgehalten, vielleicht war das ein Ortsteil, den er häufiger aufsuchte. Wenn seine Leiche dort
in der Gegend gefunden würde, wäre das weniger verdächtig. Das erscheint mir plötzlich logisch und klar. Warum bin ich nicht
viel früher draufgekommen?
Wie in Trance lenke ich mein Auto Richtung Oberrath und biege vor der Autobahnauffahrt nach rechts in den Wald ab. Ein Gebiet,
das im Sommer und an Wochenenden mit schönem Wetter von Spaziergängern, Joggern und Reitern bevölkert wird, an diesem kalten
Abend mit leichtem Schneefall aber verlassen daliegt. Langsam fahre ich die Straße entlang, biege ab Richtung Segelflughafen,
aber jedes Mal, wenn ich denke, dass ich jetzt wirklich weit und breit die einzige lebende Seele bin, taucht wieder ein Auto,
ein Jogger mit Stirnlampe oder ein Hundebesitzer auf. Resigniert verlasse ich den Wald und fahre wieder Richtung Innenstadt.
Ich bin verzweifelt, kann kaum noch aus den tränenden Augen schauen und spüre, wie das Fieber steigt. Inzwischen denke ich
ernsthaft darüber nach, den Wagen irgendwo abzustellen, mit Benzin zu übergießen und anzuzünden. Aber wahrscheinlich kann
die Polizei auch danach noch feststellen, dass der Wagen nicht leer gewesen war. Das sieht man doch immer wieder in allen
›Tatorts‹ und
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