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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ein paar Mal, atme tief durch, dann beuge ich mich über den Kofferraum. Ich ziehe die Füße heraus, ziehe weiter,
     sodass das Gesäß bis an die vordere Kante rutscht, greife nach den Handgelenken und zerre an ihnen. Sein Kopf knallt gegen
     die innere Verkleidung des Radkastens. Ich zucke zusammen. Das dumpfe, hohl klingende »Klonk« lässt mir alle Haare zu Berge
     stehen. Fast erwarte ich, dass der Mann stöhnen und sich über die ruppige Behandlung beschweren würde. Mir verschwimmt kurz
     alles vor den Augen und ich halte inne. Noch einmal tief durchatmen, Corinna.
    Der zweite Versuch ist erfolgreicher, und nach zehn Minuten schweißtreibender Arbeit liegt der Körper auf der Ladefläche des
     Güterwaggons. Schwer atmend lehne ich an der Wand und suche nach dem Mechanismus, mit dem ich die offene Waggontür hätte schließen
     können, finde ihn aber nicht. Egal. Nichts wie weg!
    Leise drücke ich die Heckklappe zu und falle vor Schreckfast von der Rampe, als der Waggon hinter mir plötzlich losrumpelt. Ich stehe einen Moment vollkommen erstarrt, weiß nicht,
     ob ich lachen oder heulen soll, und sehe zu, wie der Zug sich in Bewegung setzt. Ein Waggon nach dem anderen rollt an mir
     vorbei. Wie durch einen Nebel nehme ich die unterschiedlichen Ladungen wahr: Autos, ein paar Tankwagen mit der Aufschrift
     einer holländischen Großmolkerei, noch mehr Autos und einige Überseecontainer.
    Ich wanke zu meinem Auto, lasse mich auf den Sitz fallen und fahre ohne Licht über den dunklen Platz. Ich schalte die Scheinwerfer
     erst kurz vor der Brücke ein und fahre nach Hause. Um fünf Uhr liege ich endlich im Bett und schlafe, unterstützt durch einen
     schlafmittelhaltigen Erkältungssaft, sofort ein.
    Im Traum erscheint mir der Lieblingsschlagersänger meiner Kindheit, Christian Anders, der unerträglich laut ›Es fährt ein
     Zug nach Nirgendwo‹ röhrt.

ZWEITER TEIL
    12
    Diese denkwürdige Nacht liegt nun bereits einige Wochen zurück. Damals dachte ich natürlich, dass mein Problem mit dem Güterwaggon
     nun endgültig davongerollt und die drohende Katastrophe somit abgewendet sei. Da hatte ich mich allerdings gründlich getäuscht.
     Die Geschichte war noch lange nicht zu Ende.
    An den Samstag, nachdem ich die Leiche in den Waggon gelegt hatte, habe ich nur noch verschwommene Erinnerungen. Lisbeth rief
     an und erkundigte sich nach meinem Befinden, musste sich aber mit einem herzerweichenden Bellen begnügen, denn jedes Mal,
     wenn ich versuchte zu sprechen, musste ich husten.
    Das hörte auch Herr Metzenrath, der klingelte, mir selbst gekochten Hustensaft aus Zwiebeln, Lakritz und Zucker brachte und
     mich aufforderte, alle dreißig Minuten einen Esslöffel davon im Mund zergehen zu lassen. Ich nickte kraftlos, trank ein halbes
     Glas von dem Zeug und ging wieder ins Bett. Die Käsestulle, die mein Nachbar mir ebenfalls auf den Küchentisch gestellt hatte,
     wellte sich bereits an den Rändern, als ich das nächste Mal aufwachte. Ich aß die Stulle, trank noch ein Glas Hustensaft und
     ging wieder schlafen. Immerhin hatte das Fieber nachgelassen. DenZeitpunkt, an dem ich den Erkältungssaft mit dem Schlafmittel hätte nehmen müssen, verschlief ich.
     
    Es war hell im Zimmer, als ich das nächste Mal aufwachte. Das Telefon musste schon etliche Male geklingelt haben, denn als
     ich das Geräusch endlich lokalisieren konnte, wurden bereits drei entgangene Anrufe auf dem Display angezeigt. Alle innerhalb
     der letzten zehn Minuten. Alle von derselben Nummer. Ich kannte die Nummer. Lauenstein. Als hätte ich einen Schlag bekommen,
     zog ich die Hand, die ich zum Hörer ausgestreckt hatte, zurück und wartete reglos, bis das Klingeln endete.
     
    Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es halb elf war. Ich versuchte, die letzten Tage zu rekonstruieren, wünschte mir aber
     sofort, ich hätte es nicht getan. Meine Erinnerungen an die Erlebnisse von Freitagnacht verursachten mir akute Übelkeit. Wenn
     es halb elf und hell war, dann musste jetzt bereits Sonntagmorgen sein. Das hieß, dass gut dreißig Stunden ins Land gegangen
     waren.
    Offenbar hatte mich tatsächlich niemand bei meiner Güterwagenaktion beobachtet. Immerhin war bisher die Polizei noch nicht
     vorstellig geworden. Oder hatten die Gesetzeshüter das Haus umzingelt und warteten nur darauf, dass ich mich irgendwann zeigte?
     Ich linste vorsichtig durch die Gardinen, konnte aber keine Auffälligkeiten bemerken.
     
    Das Telefon klingelte wieder.

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