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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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verheerend gewesen –, und … Namen zu nennen. Moralisch verwerflich? Vielleicht, aber da die Untersuchungsrichter den Großteil der Namen ohnehin bereits kannten … noch dazu in der Situation, in der sie sich befanden!
    – Ich werde darüber nachdenken, hatte er sie unterbrochen und die Anwälte mit einer müden Geste verabschiedet.
    Er hatte zugesehen, wie sie davongegangen waren, enttäuscht, resigniert.
    Ungläubig. Denn warum sollte man so eine einzigartige Gelegenheit nicht ergreifen?
    Es würde funktionieren. Es musste funktionieren.
    Ja, vielleicht. Unter normalen Bedingungen. In einem anderen Kontext. Vielleicht zu Zeiten des Gründers.
    Ilio drehte und wendete das Kärtchen, das ihm Giulio Gioioso geschickt hatte.
    „Wir vertrauen dir.“
    Ein Kärtchen! Telefoniert wurde inzwischen nicht mehr, denn die Telefone wurden alle abgehört. Von einem Besuch ganz zu schweigen. Alle gingen ihm aus dem Weg, wie einem Pestkranken.
    „Wir vertrauen dir.“
    Ach, ja, liebe Anwälte. Hier ging es nicht um Schmiergelder für diesen oder jenen Politiker, nicht um kleine Diebstähle, um den dem System inhärenten Schlendrian. Das „Wir“ machte den Unterschied. Wir. Wir, die wir die Bremsen der Autos manipulieren. Wir, die wir Bomben auf Baustellen explodieren lassen. Wir, die wir bestimmen, wer es verdient zu leben und wer nicht. Wir, die wir, den Tränen in Giulio Gioiosos Augen zum Trotz, keine Sekunde zögern werden, deine hübsche kleine Frau und die süße Kleine umzubringen.
    Der Gedanke an Maya zerriss ihm das Herz.
    In den letzten Tagen war sie ihm so nahe gewesen wie nie zuvor. Sie wartete auf seine Entscheidung. Sie würde bei ihm bleiben bis zum Schluss.
    Sie wartete nur auf ein Zeichen von ihm.
    Die Tochter des Gründers würde mit all ihrer Energie kämpfen, mit der Energie, die ihm immer gefehlt hatte.
    Und sie würden sie zerfetzen.
    Ilio Donatoni versperrte die Tür des Arbeitszimmers und ging zum Safe.
    Er wählte die Ziffernkombination, und die dicke Tür sprang mit einem trockenen Geräusch auf.
    Er betrachtete die Luger, die der Gründer einem Soldaten abgenommen hatte, der ’44 im emilianischen Apennin gefallen war.
    Ein Angestellter hatte die Aufgabe, sie immer einsatzbereit zu halten.
    Ilio nahm die Waffe und wog sie in der Hand.
    Er überprüfte, ob sie gut geschmiert war.
    Er legte das Magazin ein. Er zog durch, bis eine Patrone im Lauf war.
    Er legte den Lauf an die Schläfe und drückte mit sicherer Hand ab. Der Abzug bot zu viel Widerstand. Er hatte vergessen, sie zu entsichern.
    Aufs Neue legte er den Lauf an die Schläfe.
    Wer weiß, ob Maya verstehen würde, dass er es für sie tat.
    Rasch, dass er es sich nicht mehr anders überlegen konnte, schoss er.
6.
    Als Scialoja sich endlich durchrang, ihr zu öffnen, gab es Maya Donatoni einen Stich ins Herz. Was war aus dem eiskalten, faszinierenden Gentleman geworden, den sie in Portofino kennengelernt hatte? Aus seinem höflichen und distanzierten Lächeln? Jetzt hatte er einen langen Bart, Ringe um die Augen, sein Hemd war voller Flecken, er ging barfuß und seine Haare waren zerrauft, und bei dem Geruch nach saurer Milch, der von ihm ausging, wurde einem schlecht … die Trauer verändert einen tatsächlich. Sein junger Assistent, Camporesi, hatte ihr die Wahrheit gesagt.
    „Er ist nicht mehr der Alte.“
    Er war nicht mehr der alte Scialoja. Er war ein Mann, der durchgedreht war und ein staatliches Büro zu Kleinholz gemacht hatte. Der volltrunken gedroht hatte, einen Colonello der Carabinieri aus dem Fenster zu werfen. Der ins Büro des Staatsanwalts gestürmt war und gebrüllt hatte, er sei unfähig oder, schlimmer noch, korrupt. Denn nur jemand, der unfähig oder korrupt war, konnte an Selbstmord glauben.
    „Mit einem Wort, er hat den Verstand verloren. Er hat uns befohlen, zehntausend Mal die Telefonrechnungen zu kontrollieren, er hat Razzien veranlasst, er hat höchstpersönlich Zeugen verhört, die überhaupt nichts wussten, sie eingeschüchtert und … nun, das sage ich Ihnen lieber nicht.“
    Dass nämlich ein armer Teufel während eines Verhörs auf die unglückliche Idee gekommen war, auf die x-te groteske Frage einen provokanten Tonfall anzuschlagen, worauf ihn Scialoja an der Gurgel gepackt und seinen Kopf gegen die Wand geschlagen hatte und der arme Teufel wohl draufgegangen wäre, wenn nicht er, Camporesi, eingeschritten wäre … jetzt hatte er sogar noch eine Anzeige am Hals! Dass sich ein hoher Staatsbeamter so

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