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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Guercio?
    – Vertrau mir, Stalin. Es wird alles gut.
    – Einverstanden. Wenn du dich um sie kümmern willst … wirf sie runter!
    – Nein.
    Er würde die Frau nicht umbringen. Stalin war außer sich, Stalin hatte die Kontrolle verloren. Stalin war kein Respekt gebietender, aufgeklärter Führer. Stalin war ein Psychopath. Er würde die Frau nicht töten. Er hatte erst einmal eine Frau getötet, vor Jahren. Aber das war ein Unfall gewesen. Ein Kollateralschaden im Zuge der Trockenlegung feindlichen Territoriums. Hier lagen die Dinge allerdings anders. Gewisse Dinge kann man einfach nicht tun. Auf keinen Fall. Gewisse Grenzen kann man nicht überschreiten. Für gewisse Dinge muss man früher oder später bezahlen. Und Guercio wollte nicht bezahlen. Stalin hob den Zeigefinger der linken Hand und stach damit in Guercios gesundes Auge. Guercio gab einen tierischen Laut von sich.
    – Beseitige die Spuren, wenn du mit dem Jammern fertig bist.
    Stalin warf sich Patrizia über die Schulter und ging auf die Terrasse.
    Ein paar Stunden später stürmte Camporesi aschfahl und ohne anzuklopfen in Scialojas Büro. In der Hand hielt er eine handgeschriebene Nachricht.
    Scialoja telefonierte gerade mit Carú. Er suchte den richtigen Tonfall, um ihm mitzuteilen, dass er das Angebot angenommen hatte. Mit gebieterischer Geste gab er Camporesi zu verstehen, dass er nicht unterbrochen werden wollte. Der Leutnant nahm ihm vorsichtig den Hörer aus der Hand und zwang ihn zu lesen.
    Camporesi hielt sich die Ohren zu. Scialojas Schrei hatte etwas Unmenschliches an sich, das er nicht ertrug.
4.
    DAS PROJEKT DER DEMOKRATISCHEN WIEDERGEBURT
    Dieses Dokument wurde 1981 bei der Tochter Licio Gellis, des Großmeisters der Loge P2, gefunden und beschlagnahmt, gemeinsam mit dem Bericht zur politischen Situation in Italien.
    Veröffentlicht in: Parlamentarische Untersuchungskommission zur Freimaurerloge P2, IX. Legislaturperiode.
    VORWORT
    Das Adjektiv „demokratisch“ bedeutet, dass alle Motive sowie alle wenn auch unbewussten Absichten, das System umzustürzen, nichts mit diesem Plan zu tun haben. Der Plan zielt vielmehr darauf ab, das System durch die Verbesserung aller Institutionen, die von der Verfassung vorgesehen und kontrolliert werden, neu zu beleben, von den Staatsorganen bis zu den politischen Parteien, der Presse, den Gewerkschaften, den Wählern.
    Der Plan ist unterteilt in eine ungefähre Aufzählung der Ziele, der Darlegung der Vorgangsweise – auch der alternativen Vorgangsweise – und schließlich in die Auflistung der kurz-, mittel- und langfristigen Programme.
    Der Deutlichkeit halber muss gesagt werden, dass im Rahmen der mittel- und langfristigen Programme – nach Wiederherstellung der grundlegenden Institutionen – einige Veränderungen der Verfassung vorgesehen sind, die es, ohne das ursprüngliche harmonische Gesamtgefüge zu zerstören, ermöglichen sollen, der Nation und ihren Bürgern Freiheit und Fortschritt zu garantieren, und zwar in einem Kontext, der sich mittlerweile sehr von jenem des Jahres 1946 unterscheidet.
    Als er ihm den Licio Gelli zugeschriebenen „Plan der Wiedergeburt“ überreichte, setzte der Journalist des
Espresso
ein höfliches Lächeln auf. Als wollte er sagen: Schon wieder? Schon wieder, wieder und immer wieder, hatte Argenti erwidert. Was ihm einen sicheren Eintrag in die Liste der Verschwörungstheoretiker gebracht hatte. Auch recht. So wie sich die Dinge entwickelten, hatten der Aufschrei und das Schweigen denselben Wert. Nämlich keinen.
    Das Gerücht, dass Berlusconi als Chef des gemäßigten Blocks in den Ring steigen würde, hatte die Runde gemacht. Es war kein Gerücht mehr, sondern Gewissheit. Argenti hatte es als Erster erfahren, zumindest als Erster in der Partei. Es war am Ende einer neuerlichen Fernsehdiskussion mit Carú passiert, vor zwei Wochen. Weniger als eine Debatte war es ein Monolog gewesen, in dessen Verlauf Carú, der Ex-Genosse Carú, wie immer eine von Neid und Hass geprägte Brandrede gegen die Priester seiner ehemaligen Kirche geschwungen hatte. Argenti hatte sich so gut wie möglich verteidigt, aber Carús Rhetorik war unschlagbar. Er hatte ihn in der Luft zerrissen. Die zweite Diskussionsrunde war ein Debakel für ihn gewesen. Jeder, der Zeuge dieses Schauspiels wurde, ging mit einer klaren Überzeugung nach Hause: Carú repräsentierte die Zukunft, das Neue, die Hoffnung. Argenti die Vergangenheit, die nach Moder, nach alter Politik roch. Der Brillante

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