Schmutzige Haende
gegen den Bürokraten. Es war im Kleinen eine Vorwegnahme jenes Gefechts, das es bei den allgemeinen Wahlen geben würde. Denn Wahlen würden zweifellos stattfinden. Eine Regierung, in der nur Leute saßen, die im Zentrum von Gerichtsverfahren standen, konnte nicht von Dauer sein.
Nicht ohne politische Führung der Parteien. Doch die Parteien hatten sich unter dem Druck der Ermittlungen aufgelöst.
Als ob die Richter, ohne es zu wissen, für den Gegner gearbeitet hätten!
Wahlen also, und Niederlage.
Als sie sich in der Garderobe die Hand schüttelten, hatte er sich ganz eindeutig zu Berlusconi geäußert.
– Aber habt ihr wirklich geglaubt, wir würden euch allein gegen die Faschisten kämpfen lassen? Ihr auf der einen Seite, sie auf der anderen, und in der Mitte nichts? Habt ihr wirklich geglaubt, dass dieses enorme politische Vakuum, das sich mit der Krise der Democrazia Cristiana ergeben hat, wirklich leer bleiben würde? Da habt ihr euch aber getäuscht!
– Ihr habt euch getäuscht, hatte Argenti erwidert, eher aus Fahnentreue denn aus innerer Überzeugung – und wer sollte dieses politische Vakuum füllen?
– Genau der, an den Sie denken, Senator!
Der Rest hatte in klugem Antichambrieren bestanden. Und als er die Parteispitzen informierte, waren seine Ängste natürlich in lautem Gelächter untergegangen. Berlusconi? Aber der ist doch nicht präsentabel!
Er würde sie also besiegen.
Nichts und niemand konnte Argenti von der festen Überzeugung abbringen, dass Gellis Plan das Um und Auf der künftigen italienischen Regierung sein würde. Sicher, elf Jahre nach der Entdeckung war natürlich nicht zu leugnen, dass der Zahn der Zeit an dem Manifest genagt hatte. Diese Welt der Schwarz-Weiß-Gegensätze gab es nicht mehr. Das Gespenst des alten Marx mit seiner bitteren Last an verlorenen Illusionen ruhte Seite an Seite mit seinen alten Gegnern unter den Trümmern der Berliner Mauer.
Einige Vermutungen, die in dem Plan formuliert worden waren, waren Realität geworden. Das Rundfunkmonopol zum Beispiel war gefallen.
Einmal abgesehen von allen Geheimnissen und Gerüchten – wer war der Drahtzieher hinter Gelli? Wer? Waren die Papiere absichtlich oder zufällig entdeckt worden? Gab es tatsächlich eine zweite, längere Liste aller Mitglieder der P2 voller überraschender Namen aus den besten Kreisen. Der Kern des Plans beeindruckte aufgrund seiner konkreten Ideen.
Ein Plan zur Umformung Italiens.
Weniger Beschränkungen und mehr Freiheiten für Unternehmen.
Die Richter auf die Plätze verweisen.
Neue Ordnung anstelle des derzeitigen Laissez-faire.
Freie Hand den Polizisten.
Kontrolle der Presse.
Beschneidung der Rechte der Gewerkschaften.
Einfache Ideen. Ein hervorragender Ausgangspunkt für die Rechte, der Berlusconi zum Sieg verhelfen würde. Und war es denn von Bedeutung, dass er kein Berufspolitiker war? Die Leute hielten die Berufspolitiker ohnehin nicht mehr aus!
Das Showbusiness hatte ihn bekannt gemacht? Na und? War Ronald Reagan etwa nicht ein großer Präsident gewesen? Beunruhigender war allerdings die Macht der Ideen.
Einfache Ideen. Ideen, die viele Menschen teilten. Und in Zukunft würden sich noch viele zu der Herde gesellen.
Die Linke würde nie eine derartige einigende Kraft besitzen. Der Hang zum Durcheinander und zum Gremienwesen war ihr gewissermaßen angeboren. Die Haarspalterei war ihre zweite Haut. Die anderen marschierten geradewegs auf das Ziel zu.
Ein sicheres Land, ein geordnetes Land, ein Law&Order-Land, wo wenige Auserwählte im Namen aller entscheiden und die Masse in genau abgegrenzten Bereichen schwimmt, überwacht von einem Heer von Bullen und Richtern, die bereit sind, selbst das kleinste Verbrechen zu bestrafen.
Und vor dem Rest die Augen verschließen.
Im Plan war keine Rede von der Mafia gewesen. War die Mafia für den Autor dieser Zeilen kein Problem?
Sehnten sich im Grund nicht alle danach?
Dass jemand die Aufgabe übernahm, alle Probleme zu lösen?
Und wenn die Probleme unlösbar waren, hatte einmal ein weiser Politiker der alten Garde zu bedenken gegeben, war es dann nicht besser, sie zu ignorieren und zum nächsten Punkt der Tagesordnung überzugehen?
In gewissen Augenblicken glaubte er zu ersticken, weil er wollte und nicht konnte. Ich werde nicht zulassen, dass das alles passiert, hatte er sich geschworen. Aber so wie es den Anschein hatte, war seine Hartnäckigkeit nicht angetan, die Geschichte zu beeinflussen. Die Geschichte würde Italien
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