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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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und Appetithäppchen standen. Ein Hohepriester des freien Denkens beklagte das Ende des goldbestäubten Risottos, das früher einmal
chez
Marchesi serviert wurde, der von den Freunden nur „Gualtiero“ genannt wurde. Ein TV-Moderator erinnerte sich lachend an die schweren Vorwürfe, die ihm einmal ein Fernsehdirektor auf dem Sunset Boulevard gemacht hatte.
    Patrizia kramte in ihrem winzig kleinen Täschchen. Sie steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Vor ihr züngelte eine Flamme. Camporesi hielt das Feuerzeug, sichtbar errötend, er wagte es kaum, sie anzusehen. War sie ihm unsympathisch? Oder war er drauf und dran, ihr den Hof zu machen? Sie fragte sich, ob der junge Mann über ihre Vergangenheit Bescheid wusste. Manche Männer ertragen es nicht, einer Ex-Hure gegenüberzustehen. Andere wiederum fühlen sich verpflichtet, aufs Ganze zu gehen. Kalt ließ es keinen.
    – Würden Sie mir was zu trinken holen, Leutnant?
    Er schnellte davon, als ob er einen wichtigen Marschbefehl erhalten hätte.
    Im Grunde machte ihr all das Spaß. Die neugierigen Blicke machten ihr Spaß. Die hungrigen Blicke gewisser Herren, die zu sagen schienen: Wir wissen alles über dich, machten ihr Spaß. War ein ehemaliger Kunde unter ihnen? Umso besser. Sie hätte ihn nicht erkannt. Und sie konnten sie nicht mehr haben. Sie war nicht mehr eine x-beliebige Patrizia. Es gefiel ihr, es gefiel ihr. Sie sollten ruhig glauben, dass sie ein Anhängsel des mächtigen Polizisten war, ein Ausstellungsstück. Auch sie war im Dienst.
    – Dom Pérignon!
    Zum Dank schenkte sie Camporesi ihr ganz spezielles Lächeln. Er errötete wieder. Er macht mir den Hof, dachte sie instinktiv. Und auch das gefiel ihr. Sie trank das Glas in einem Zug aus. Der Champagner war ausgezeichnet. Früher einmal hatte sie wichtige Kunden gehabt, die ihr besonders kostbare Jahrgänge schenkten. Dandi hatte sie kistenweise gekauft. Einmal hatte er den Jacuzzi mit Champagner gefüllt. Das hatte ihm einen Riesenspaß gemacht, dem Ärmsten. Scialoja und Trebbi waren durch eine Tür ganz hinten im Salon gegangen. Patrizia reichte Camporesi ihr Glas und befahl ihm, auf sie zu warten.
4.
    Nachdem Scialoja und Angelino Lo Mastro sich mit dem Freimaurergruß begrüßt hatten, nahmen sie auf zwei bequemen Sesseln Platz. Sie schenkten sich zwei Fingerbreit Bourbon aus der Flasche ein, die neben einem Tablett der berühmten Konditorei Mondi auf dem Tisch stand, den der Hausherr in weiser Voraussicht hatte aufstellen lassen.
    Steif saßen sie einander gegenüber und musterten sich. Beide warteten darauf, dass der andere den ersten Schritt machte.
    Aus dem Stockwerk darunter hörte man plötzlich das Echo eines schrillen Lachens, einer zugeschlagenen Tür.
    Schließlich sagte Angelino seufzend, der Tod Vecchios sei ein schwerer Verlust.
    – Durchaus, flüsterte Scialoja. Dann schaute er ihm in die Augen und fügte hinzu: Allerdings bin ich jetzt an seiner Stelle …
    Angelino entspannte sich. Das Gesicht war gerettet. Der Bulle war
sperto
, ein Eingeweihter. Man brauchte nicht länger um den heißen Brei herumzureden. Und da der Bulle klein beigegeben hatte, war nun er am Wort.
    – Sie haben nach mir verlangt. Ich bin gekommen, Doktor Scialoja. Ich höre.
    – Ich habe den Auftrag bekommen, gemeinsam mit Ihnen diesen … diesen Krieg zu beenden.
    – Wir verteidigen nur unser Leben, Doktor.
    – Aber um welchen Preis? Den der totalen Zerstörung? Erscheint Ihnen das … vernünftig?
    – Vernunft ist fehl am Platz, wenn es um Leben und Tod geht.
    – Dann sagen wir es so: Geht die
convenienza
auf?
    Angelino nickte, die Sprache gefiel ihm. Blut schreit nach Blut, wandte er ein, Blut gräbt Furchen, die sich nicht leicht füllen lassen. Im Grunde waren Staat und Mafia zwei Institutionen, stimmte er Scialoja widerwillig zu, die seit ewigen Zeiten miteinander auskamen. Es hatte immer eine Übereinkunft gegeben. Eine Übereinkunft, die kriegerische Aktionen nicht ausschloss, aber immer mit dem Ziel, ein Gleichgewicht zu wahren, das den Krieg in erträglichen Grenzen hielt. In Grenzen, die man gewissermaßen abgesprochen hatte. Die Institution, deren Vertreter er war, befand sich allerdings in der Situation, einen Vertrag anzufechten, der ihr allzu viele Lasten auferlegte. Weil sich der Vertragspartner nicht an die Regeln hielt, weil sich Dritte am Spiel beteiligten, weil es die Geschichte so wollte … aber das war im Grunde egal. Aus all diesen Gründen konnte er nicht umhin,

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