Schmutzige Haende
unweigerlich in unfruchtbare Planlosigkeit münden würde. Um die Dinge zu ändern, brauchte man Hirn. Die alten Methoden mussten erneuert werden. Der Kommandostab war das wahre Problem. Ja, genau so. Angesichts dieses Films wagte sich Angelino Lo Mastro einzugestehen, worin das Ziel seines Lebens bestand: der neue Führer der Cosa Nostra zu werden. Der Mann, der eine tote, erschöpfte, in den Seilen hängende Organisation in eine strahlende Zukunft der Herrschaft und der
convenienza
führen würde.
5.
Patrizia, im schwarzen Satinnegligé, schminkte sich ab. Scialoja küsste sie auf den Hals. Der zarte Geruch ihrer Haut, vermischt mit zartem Pudergeruch, erregte ihn.
– War der Abend so langweilig?
– Ganz im Gegenteil, dein Leutnant ist ein hervorragender Unterhalter.
– Camporesi?
– Ja, genau. Ich habe noch nicht herausgefunden, ob er Angst vor mir hat oder ob er mir den Hof macht!
– Soll ich mir Sorgen machen?
– Warum nicht?
– Ich werde Vorkehrungen treffen.
– Lass die Finger von dem lieben Jungen. Und auch von mir. Ich möchte jetzt duschen.
Seitdem sie wieder miteinander verkehrten, hatte Patrizia zum ersten Mal eingewilligt, über Nacht zu bleiben. Sie war wahrhaftig zurückgekehrt.
Scialoja war glücklich. Ihre strahlende Gegenwart gab ihm die Sicherheit, das Erbe Vecchios anzutreten. Für alles würde es früher oder später eine Lösung geben. Solange sie da war.
Patrizia kam aus der Dusche. Nackt. Mit noch nassen Haaren. Die Brustwarzen der kleinen Brüste waren steif. Patrizia warf ihm einen finsteren Blick zu. Scialoja begann sich ihr langsam zu nähern, fast wie bei einem Tanz. Patrizia lachte und stürzte sich in seine Arme.
Leidenschaft, gewiss, dachte Scialoja danach, als sie sich auf dem großen, runden, von Spiegeln umgebenen Bett befriedigt liebkosten. Aber reife Leidenschaft. Die Leidenschaft eines Liebespaars, das sich genau das richtige Maß an Zeit nimmt. Und das noch nicht den Genuss jener herben Liebe verloren hat, als die Küsse, die sie austauschten, geraubte waren und die Gefühle für beide eine Maske. Jetzt gab es keine Masken mehr. Sie veränderten sich gleichzeitig.
– Tut mir leid wegen vorher. Wenn ich gewusst hätte, dass du ein vertrauliches Gespräch führst, hätte ich dich nicht gestört.
– Nichts passiert.
– Wer war das?
– Irgendwer.
– Ein Freimaurer?
– Camporesi hätte seinen Mund halten sollen!
– Das hätte ich selbst auch erraten. Dandi war auch ein „Bruder“. Offenbar muss man Freimaurer sein, um Karriere zu machen.
– Der Typ ist jedenfalls ein Sizilianer.
– Ein Mafioso?
– Glaubst du auch, dass alle Sizilianer unbedingt Mafiosi sind?
– Wie viele elegant gekleidete … und unter uns gesagt … gut aussehende Sizilianer … ziehen sich mit dem mächtigen Doktor Scialoja zu einem vertraulichen Gespräch zurück und springen auf, wenn zufällig eine Frau hereinkommt …
– Patrizia … können wir über was anderes reden? Ich habe plötzlich einen Riesenhunger.
Sie stützte sich auf die Ellbogen. Ihre Stimme klang herausfordernd.
– Du hast doch darauf bestanden, dass ich „deine Welt“ kennenlerne. Du hast gesagt, ich solle die Augen aufsperren. Und genau das habe ich gemacht!
– Hör mir gut zu, Patrizia. Es gibt Dinge, über die kann ich nicht einmal mit dir sprechen!
– Weil sie deine Lieblingshure mit ihrem kleinen Köpfchen nicht verstehen würde?
– Zu deinem eigenen Schutz, Liebling.
Sie zog sich zurück. Beleidigt, fassunglos. Eiskalt und wütend zog sie sich an.
– Du hattest versprochen, dass du bleibst, flüsterte er.
– Ich habe schon genug Unannehmlichkeiten wegen heute Nacht.
– Ich begleite dich.
– Lieber nicht.
– Dann lass dir wenigstens ein Taxi rufen.
Enttäuschter Tonfall. Ausdruck eines geprügelten Hundes. Beflissen beugte er sich zum Telefon … er respektierte ihren Willen. Sie verließ ihn, obwohl es eine ganz spezielle Nacht hätte werden sollen. Die erste, die sie gemeinsam verbrachten. Scialoja hatte sich wirklich verändert! Die Kehrseite der sozialen Sicherheit war diese stumpfe Aggressivität, die aus Nachgiebigkeit und Bereitschaft zum Verzicht bestand. Aber irgendetwas an dieser Unterwerfung war ärgerlich. Warum hatte er sie nicht angebrüllt? Warum hatte er ihr keine Grenzen auferlegt, das ist mein Bereich, das ist deiner, er hätte jedes Recht gehabt, es zu tun, denn … Er hatte nicht gelogen, als er sagte, dass er sie beschützen wolle. Das war seine Art
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