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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Scialoja zumindest auf abstrakter Ebene zuzustimmen.
    Wichtig ist, dass die Bedingungen der Übereinkunft neu festgelegt werden.
    Ein neuer Vertrag. Und das Morden würde ein Ende nehmen. Dann ging die Kosten-Nutzen-Rechnung für beide Seiten auf.
    Scialoja lächelte. Wie hätte wohl Camporesi reagiert, wenn er gehört hätte, dass die Mafia eine noch dazu dem Staat gleichwertige Institution war? Hätte er den Mafioso an Ort und Stelle erschossen? Hätte er ihn zu einem Duell aufgefordert? Hätte er ihn theatralisch festgenommen? Angelino Lo Mastro entsprach völlig dem Bild, das Vecchio von ihm gezeichnet hatte. Ein Mann auf der Höhe der Zeit, hatte Vecchio auf seine Karteikarte geschrieben, und das Wort
endlich
daneben zweimal unterstrichen.
    Er war vernünftig, der junge Mafioso. Vernünftig und geradlinig. Wir sind immer wieder gezwungen festzustellen, dass die, die wir als „Mörder“ oder „Terroristen“ bezeichnen, nicht dem Reich des Wahnsinns, sondern dem der Demokratie und des rationalen Denkens entspringen. Und die
convenienza
ist der einzige Weg für alle, sowohl für die „Unsrigen“ als auch für die „Ihren“.
    Angelino Lo Mastro sah ihn an, eine Zigarette im Mundwinkel. Scialoja ließ sich ein wenig Zeit, bevor er antwortete. Dann versuchte er ihm die Situation aus der Sicht seiner „Institution“ zu erklären.
    An den Tagen vor dem Treffen hatte Scialoja mit Gott und der Welt gesprochen. Er hatte jedoch allen nur eine einzige Frage gestellt: Was kann ich anbieten? Mit anderen Worten, wo liegen die Grenzen meiner Macht? Die offizielle Antwort lautete, dass man mit der Mafia nicht verhandelte. Dass der Staat keine Garantien geben durfte. Offiziell waren alle auf der Seite Camporesis. Einmal abgesehen von einer winzigen Minderheit von Hardlinern im Gefolge von Senator Argenti, war eine derart konsequente Haltung jedoch bloß Fassade.
    Im Grunde war es ein Machtproblem. Im Moment, vertraute er dem Mafioso in bekümmertem Tonfall an, gab es in Italien ein Machtvakuum. In einigen Monaten gehen wir wahrscheinlich vom Verhältniswahlrecht zum Mehrheitswahlrecht über. Die alteingesessenen Parteien, die von den Richtern in Mailand in die Enge getrieben werden, verschwinden wahrscheinlich. Es wird neue Allianzen geben. In diesem Fall wird es unweigerlich Neuwahlen geben. Nur der, der diese Wahl gewinnt, kann eine stabile und sichere Führung gewährleisten.
    Während Angelino Lo Mastro dem Bullen zuhörte, dachte er, dass die Institutionen, die sie jeweils vertraten, mehr als eine Gemeinsamkeit aufwiesen. Beide stellten sich nach außen hin als solide, monolithische Blöcke dar. Dabei waren sie in ihrem Inneren uneins und zerrissen. Beide gaben vor, eine einheitliche Richtung zu verfolgen, was jedoch längst nicht mehr der Fall war.
    – Schöne Worte, Doktor. Aber was soll ich denen da unten erzählen?
    Scialoja wollte gerade antworten, als die Tür zur Mansarde aufging. Die beiden Männer sprangen auf. Scialoja sah, wie Angelinos Hand in die Tasche des Armani-Sakkos glitt, und er selbst stürzte zur Tür. Verdammt, niemand durfte sie unterbrechen. Er hatte sich ganz klar ausgedrückt. Wohin war Trebbi verschwunden? Fehlte gerade noch, dass der Mafioso glaubte, in der Falle zu sitzen.
    Aber an der Tür stand Patrizia. Mit zerstreutem Blick spähte sie in das halbdunkle Zimmer, sie wagte es nicht einzutreten.
    – Was machst du hier?
    – Ich habe dich gesucht. Du bist verschwunden.
    – Warte unten auf mich. Ich komme in ein paar Minuten.
    Er schloss die Tür, kalter Schweiß lief ihm über den Rücken. Angelino hatte wieder Platz genommen. Er beobachtete ihn lächelnd. Scialoja ging auf ihn zu und zwang sich zu lächeln.
    – Entschuldigen Sie bitte. Eine Freundin.
    – Eine gute Freundin?
    – Ja, eine sehr gute.
    – Darf ich Ihnen zu Ihrer Wahl gratulieren?
    – Das bin ich gewöhnt.
    Angelino nahm die Information zur Kenntnis. Ein zufälliger Eindringling. Die Reaktion des Bullen war zu spontan und zu aufrichtig gewesen, um daran zu zweifeln. Das Klasseweib, das er auf der Schwelle gesehen hatte, heizte dem Doktor Scialoja ordentlich ein!
    Wofür er als Mann vollstes Verständnis hatte. Dennoch durfte man die Sicherheit nicht außer Acht lassen. Es war unbedacht von Doktor Scialoja, seine Triebe und die
convenienza
nicht streng zu trennen.
    – Sie haben auf meine Frage nicht geantwortet, Herr Doktor.
    – Ihr habt ein riesengroßes Durcheinander angerichtet. Alle diese Aktionen wegen den

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