Schmutzige Haende
geworden.
Man hatte bloß tragische Fehler begangen. Das war alles. Und jetzt musste man den Schaden begrenzen.
Carú hatte sich nobel dafür eingesetzt, „eine neue kulturelle Orientierung zu etablieren, mit dem Ziel, in der öffentlichen Meinung ein positives Gefühl zu erzeugen. Ein Gefühl, das dazu angetan war, den antiautoritären Radikalismus von sich zu weisen, der unser Land in den letzten Jahren völlig aufgeweicht hat. Ein Signal, um gegen die Laxheit aufzurütteln. Aber ein antiklerikales Signal, das offen für soziale Fermente ist. Ein Signal im Zeichen des Angriffs, nicht der Verteidigung“.
Der Erfolg war bescheiden gewesen. Er hatte sich entschieden gegen die Kritik der Parteigänger des MSI, der eifrigen Hüter der „Tradition“, zur Wehr setzen müssen. Eifrigen und versteinerten Hütern, die ihre Stimmen verschenkten. Denn bis jetzt hatte sich noch niemand bereit erklärt, ein Bündnis mit den Erben des Duce einzugehen. Und niemand würde es je tun, solange sie nicht den Mut fanden, sich zu ändern. Das wahre Problem der Rechten bestand darin, dass sie noch immer glaubten, sie könnten mit der alten Dreifaltigkeit Gott-Heimat-Familie punkten. Dagegen gab es zwar überhaupt nichts einzuwenden, aber die Italiener entwickelten sich in eine andere Richtung. Die Italiener gaben den Klerikalismus allmählich auf, egal, was der Papst dachte. Die Italiener waren in eine andere Richtung unterwegs. Man musste sie abfangen, bevor es zu spät war. Dem Wesen des Italieners entsprechen. Dem Italiener, der, wie wir wissen, ein altes Arschloch ist … der von der Angst lebt, sich von der unmöglichen Hoffnung auf ein Wunder nährt, eine gluckenhafte Mutter und einen autoritären und strengen Vater braucht … dem man den Kopf waschen und den man gleichzeitig bedauern muss, dem es nichts ausmacht, übers Ohr gehauen zu werden, der es jedoch verabscheut, als Trottel dazustehen, und der es vor allem nicht aushält, wenn man das auch noch herumerzählt.
Die Italiener in ihr echtes Haus zurückführen!
Dafür würde große Geduld vonnöten sein. Man würde viel Energie und Intelligenz brauchen. Vor allem fehlte eine durchschlagende Idee. Die Idee.
Carú hatte keine Ahnung, dass die Idee im Mailänder Smog gerade feste Form annahm. Dass aus der Idee bald ein Projekt hervorgehen würde. Und dass er einer der Protagonisten sein würde.
2.
Ein Apartment im dritten Stockwerk eines anonymen gutbürgerlichen Wohnhauses im Viale Ippocrate. Eine beeindruckende Anzahl von Büchern, vor allem historischen Sachbüchern, aber auch eine Sammlung von Gedichten, Romanen und Theaterstücken. Poster von Bildern mit eindeutig politischem Inhalt, von der
Guernica
bis zum
Begräbnis des Anarchisten Pinelli
. Gedämpfte Jazzmusik. Eine junge, strahlende Freundin, Beatrice, frisch gewaschenes Haar, weißes T-Shirt und zartes, fruchtiges Parfum. Die Wohnung von Senator Argenti, dachte Scialoja mit einem Anflug von Bewunderung, vermittelte das Gefühl einer gesunden und kräftigen „demokratischen“ Heiterkeit. Scialoja war angenehm überrascht gewesen, dass Argenti sofort zu einem Treffen bereit gewesen war.
– Ich dachte, ich sei Ihnen unsympathisch, Senator.
– Nicht Sie, wir kennen uns ja kaum. Ihre Funktion beunruhigt mich, Doktor Scialoja.
Aufgrund des raschen Händedrucks konnte Scialoja ausschließen, dass Argenti ein Mitbruder war. Was alles noch viel komplizierter machte. Scialoja wusste, dass dem Senator nicht gefallen würde, was er ihm sagen wollte. Er konnte nur hoffen, dass Argenti flexibel genug war, ihm bei der „politischen“ Beurteilung der Angelegenheit Recht zu geben. Dass er sich klar darüber war, dass sie, von den offensichtlichen Meinungsverschiedenheiten einmal abgesehen, der Wunsch einte, weitere Blutbäder zu vermeiden.
– Zuerst möchte ich Ihnen einmal zum Ausgang des TV-Duells gratulieren.
Argenti schnaubte verärgert. Ja, er hatte den Sieg davongetragen. Aber es war ein einfacher, geschenkter Sieg gewesen. Als ob alle Gegner plötzlich verschwunden wären.
– Offensichtlich ist Carú, fuhr Scialoja fort, in eine Depression verfallen … vielleicht kehrt er demnächst wieder ins alte Nest zurück.
Guter Gott! Das fehlte gerade noch. Die in der Partei waren in der Lage, ihn mit offenen Armen zu empfangen. Die von der Partei hatten eine Schwäche für Leute mit perverser Intelligenz. Vor allem für Feinde. Das kam davon, weil sie unbedingt akzeptiert werden wollten. Weil sie unbedingt, um
Weitere Kostenlose Bücher