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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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schwerer Schlag. Sie hatte sich so schwach gefühlt, als sie mit ihrem warmen Lächeln und ihren zärtlichen Versprechungen aufgetaucht war … wer: sie? Lady Heroine, nicht wahr? Sie hatten sich eines Abends vor einem halben Jahr in San Lorenzo kennengelernt. Sie waren sich auf Anhieb sympathisch gewesen. Seit damals waren sie unzertrennlich.
    – Merkwürdig, nicht? In der Welt von B. G. ist Heroin nicht in. Heroin ist was für alte Knacker. In der Welt von B. G. rast man mit tausend Stundenkilometern auf der Autobahn der
bolivianischen Rose
dahin … eigentlich frage ich mich, ob ich nicht genau das gesucht habe. Etwas, das nicht mehr in ist. Etwas, das dich auf altmodische Weise umbringt. Keine Ahnung, ich weiß, ich rede zu viel. Aber das bin ich. Im Augenblick. Und du? Wer zum Teufel bist du, Herr Pino Marino? Einer dieser Priester, die sich auf der Straße rumtreiben, auf der Suche nach gefallenen Engeln, denen sie wieder auf die Beine helfen können? Wer bist du?
    Pino nahm sie an der Hand und führte sie auf die Terrasse. Er machte Licht an und zeigte ihr die Bilder. Zwölf große Ölbilder, die er während ihres Entzugs gemalt hatte. Valeria mit Spritze. Valeria im Astronautenanzug, die sich von einer riesengroßen Nabelschnur in Form einer Spritze löste. Valeria umkreist von feixenden Ungeheuern mit kaputten Gesichtern. Valeria, die über rosa Wolken ging, die eigentlich zerfetzte Kinderkörper waren. Valeria auf allen Bildern. Valeria im rosa-blauen Kleid der Muttergottes. Auf den letzten Bildern schwebte Valeria in der Mitte, unbesiegt, aber ungläubig, über verkrüppelten Leichen, deren Gesichter von Schusswunden entstellt waren. Ein paar Schritte entfernt kniete ein Herr in einem Hawaihemd mit einer UZI-Maschinenpistole und umgehängtem Patronengurt. An seinen knochigen Schultern waren die Flügel eines Erzengels befestigt.
    – Das, sagte er zu ihr und zeigte auf die Figur, das bin ich.
    Valeria begann zu lachen. Langsam ging ihr Lachen in hysterisches Schluchzen über. Dann kamen die Tränen. Ein Schwall von Tränen.

Die Schöne und das Biest
    Stalin Rossetti parkte den BMW auf dem Parkplatz vor der Autobahnraststätte Riofreddo und stieg aus, wobei er die Arme weit von sich streckte.
    Angelino Lo Mastro lehnte an der Leitplanke und rauchte eine Zigarette, den Blick auf die glühend rote Abendsonne gerichtet. Stalin ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. Der Mafioso wandte den Blick ab. Das ist ja ein guter Anfang, sagte sich Stalin. Im Übrigen hatte der harte Tonfall, den Angelino zwei Stunden zuvor am Telefon angeschlagen hatte, nichts anderes vermuten lassen.
    – Schon gut, du hast uns einen Gefallen erwiesen. Wir werden uns daran erinnern. Aber jetzt hör auf, uns auf die Eier zu gehen und erklär mir, was du von uns willst!
    Stalin seufzte. Angelino Lo Mastros Groll war genauso vorhersehbar wie berechtigt. Er hatte ihn ganz schön lang zappeln lassen. Nun war der Augenblick gekommen, ihm etwas zu gewähren.
    – Ihr seid in einer beschissenen Lage. Die Sondereinheit ROS will euch aufs Kreuz legen. Scialoja ist eine Null. Aus dieser beschissenen Situation können wir uns nur gemeinsam befreien.
    – Gemeinsam? Du gemeinsam mit uns? Was faselst du da, Rossetti?
    – Ihr seid in einer Sackgasse angelangt.
    – Das sagst du!
    – Das sagen die Fakten. Die Insel ist von der Armee eingenommen worden. Eure Bosse werden in den Sondergefängnissen systematisch gedemütigt. Das Gesetz der verschärften Haftbedingungen, das
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, produziert Kronzeugen. Ihr reißt das Maul auf, und in Rom tun sie, als würden sie nicht verstehen. Ihr habt Lima, Falcone, Borsellino, Salvo umgebracht und nichts ist geschehen. Sie bieten euch einen Waffenstillstand an, und inzwischen werden hinter eurem Rücken Intrigen gesponnen, um euch aufs Kreuz zu legen. Wie wollt ihr euch aus dieser Situation befreien?
    – Wir werden noch mal zuschlagen!
    – Verstehe.
    – Ist schon beschlossen!
    Gewisse Gesten, Gemütszustände, Absichten verstand Stalin Rossetti früher als jeder andere. Es war eine Art Instinkt. Und Kenntnis der menschlichen Natur natürlich. Eine Kalaschnikow bedienen zu können, reicht nicht, um ein respektierter und gefürchteter Boss zu werden. Das Hirn macht den Unterschied. Auch diesem Jungen fehlte es nicht an Hirn. Und der Ehrgeiz fraß ihn buchstäblich auf. Diese Geschichte mit dem „Zuschlagen“ behagte ihm gar nicht. Das konnte Stalin seinem hübschen, perfekt rasierten Gesicht ablesen.

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