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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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sie. Die Intensität seines Blicks ließ sie erschauern.
    – Trink!
    Sie bemerkte, dass ein volles Glas vor ihr stand. Sie roch daran. Wein. Wein schmeckte ihr nicht. Sie konnte mit Wein nichts anfangen. Sie wollte Stoff, verdammter Bastard, Arschloch, Hurensohn … Stoff …
    Aber er wiederholte:
    – Trink!
    Mit einem sanften Lächeln. Er provozierte sie mit seinem sanften Lächeln. Valeria trank. In diesem Augenblick explodierten irgendwo in einem Dorf, in Terracina oder in San Felice Circeo, Dutzende Feuerwerke. Valeria sank auf den Tisch. Pino Marino streichelte ihr Haar und schließlich lud er sie auf die Schulter wie ein schlafendes Kind.
    Valeria wachte mitten in der Nacht auf. Sie würgte, ihre Gliedmaßen waren eiskalt, ein Brechreiz, dass sie am liebsten gestorben wäre.
    Pino Marino wartete vor dem Zimmer, in dem er sie eingeschlossen hatte. Auf diesen Augenblick hatte er seit Stunden gewartet. Er versuchte freundlich zu wirken. Aufmunternd.
    – Im Wein war ein wenig Schlafmittel. Auf dem Nachtkästchen neben dem Bett habe ich dir Narcan hingelegt. Es wird dir helfen, den Entzug auszuhalten. Das Bad ist links. Da ist auch Warmwasser. Ich bleibe auf alle Fälle hier …
    – Lass mich raus, du Arschloch!
    – Das ist der einzige Wunsch, den ich dir nicht erfüllen werde.
    Valeria begann zu brüllen. Ihr schlimmster Alptraum wurde gerade wahr. Und dieser Schmerz … war einfach nicht auszuhalten. Und die Demütigung, die Wut, der Zorn … Valeria brüllte. Und brüllte. Und brüllte noch immer.
    Der Zustand dauerte drei Tage. Valeria schrie. Wenn der Schmerz allzu schlimm wurde, fiel sie in Ohnmacht. Beim Aufwachen brüllte sie. Sie schrie, während sie schlief und von einem Alptraum zum nächsten glitt. Beim Aufwachen brüllte sie. Sie brüllte und brüllte und brüllte.
    Am Morgen des vierten Tages erwachte sie in einem Meer aus Licht. Sie verspürte nicht länger die Notwendigkeit zu brüllen. Die Schmerzen waren verschwunden. Valeria hatte Hunger. Sie blickte sich um. Das Zimmer sah aus wie ein Schweinestall. Das Bad war in einem unbeschreiblichen Zustand. Sie riss das Fenster auf. Hinter den Eisenstäben arbeitete unermüdlich die Brandung. Eine blasse Sonne versuchte den kühlen Dunst zu durchbrechen. Die Welt da draußen roch frisch und sauber.
    – Ich möchte baden, sagte sie leise.
    Sie hörte, wie er sich hinter der verschlossenen Tür bewegte.
    – Ich kann dich nicht hören.
    – Ich habe gesagt, ich möchte baden!
    – Das Bad ist links …
    – Du verstehst mich nicht. Ich möchte im Meer baden!
    Sie hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Auf Zehenspitzen ging sie zur Tür. Sie drückte auf die Türklinke, die sofort nachgab. Sie ging hinaus. Er war nicht da. Durch die Glasscheibe in der Tür sah sie ihn auf den Kombi zulaufen. Einen Augenblick später fuhr das Auto die Rampe zum Gittertor hinauf, die zur Uferpromenade von Sabaudia führte.
    Bei Sonnenuntergang kam er zurück. Sie wartete auf ihn.
    Valeria war groß und hatte kurzes blondes Haar. Valeria spielte Klarinette und wohnte in einem herrschaftlichen Haus hinter der Piazza Navona. Valeria trug weiße Blusen und schwarze Jeans. Eines Tages hatte Valeria zu ihren Eltern gesagt: Geht zum Teufel. Valeria war ausgezogen. Valeria wollte frei sein. Die Eltern waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Valeria war wieder in das große herrschaftliche Haus hinter der Piazza Navona gezogen. Valeria spielte Klarinette, weil ihr Vater, ein Bildhauer, und ihre Mutter, eine Pianistin, es so wollten. Sie waren Amateure. Von Beruf waren sie Journalisten. Journalisten und Kommunisten. Valeria war in der Partei aufgewachsen. Valeria hasste die Partei. Valeria hasste ihre Eltern. Valeria hatte vor Einsamkeit geheult. Valeria heulte, weil sie sich von ihren Eltern nicht hatte verabschieden können. Bei einem Fest reicher und dummer junger Leute hatte sie B. G. kennengelernt. B. G., den Typen vom Fernsehen. Es hatte fast ein Jahr lang gedauert. Die Welt von B. G. war eine supernette Welt, wo sich alle abküssten und verpflichtet fühlten, zu allen supernett zu sein. Die Welt von B. G. war eine falsche und verschissene Welt. Valeria verachtete sie, fühlte sich aber dennoch von ihr angezogen. Die Welt von B. G. war genau das, was ihre strengen Eltern, die Genossen, immer gehasst hatten. Deshalb war sie in gewisser Weise gezwungen, sie zu lieben. Eines Tages hatte sich B. G. etwas Besseres gefunden. Die Erfahrung der Einsamkeit war ein

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