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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Gefängnis von Pavia serviert.
    Sindona, der sich 1979 vom Arzt Miceli-Crimi ins Bein hatte schießen lassen.
    Sindona, der mit einem separatistischen Vorhaben nach Sizilien zurückgekommen war.
    Sindona, der Feimaurer.
    Sindona, der vergiftet wurde.
    Wie hieß doch der spöttische Schlager – „Kommen Sie auf einen Kaffee bei uns vorbei. Ucciardone, Zelle 36 …“
    Messinas Aussage zeichnete ein zweideutiges Bild.
    Worauf bezog sich der Ausdruck „neuer Staat“? Auf den neuen, infolge der Abspaltung entstandenen Staat? Oder auf den neuen italienischen Staat, der mit der Mafia verhandeln würde müssen?
    Und wenn die Linke zum ersten Mal wirklich an die Macht käme?
    Würden sie dann mit der Mafia verhandeln?
    Waren Riina und seine Anhänger dieser Meinung?
    Scialoja dachte sicher so.
    Am liebsten hätte er gelacht.
    Genosse Argenti, würde eines Tages eine Stimme sagen, wir müssen etwas für unsere Brüder, die Mafiosi, tun!
    Und was hätte er geantwortet? Ich gehorche? Oder hätte er sie zum Teufel gejagt? In Erwartung, dass jemand an seine Stelle trat, der zu mehr Kompromissen bereit war?
    Vielleicht ein jüngerer und ehrgeizigerer Genosse? Oder ein alter, der es ihm heimzahlen wollte? Auf jeden Fall einer, der bereit war.
    Die Lust zu lachen war ihm vergangen. Senator Argenti schauderte. Eine uralte Angst. Die Angst eines Kindes, das an einem regnerischen Nachmittag die sichere Stütze des mütterlichen Arms verliert und plötzlich in einem Wald unbekannter, feindseliger Beine herumirrt und schreit, verzweifelt schreit, aber niemand eilt ihm zu Hilfe.
    Die Mafia. Die Freimaurer. Waren sie wirklich die Stützen der Macht in Italien?
    War es wirklich unmöglich, auf sie zu verzichten?
    Die Mafia. Die Freimaurer. Und die Amerikaner. In all diesen Jahren hatte man die Kommunisten von der Macht ferngehalten. In den langen Jahren des Kalten Krieges. Jetzt, wo der Kalte Krieg vorbei war und die Amerikaner niemandem mehr Angst einjagten, wer sollte da die Ex-Kommunisten länger hinhalten?
    Und wie?
    Mit kleinen Tricks?
    Mit weiteren Bomben?
    Oder sollte man sie überzeugen zu verhandeln?
    Und war es nicht besser zu verlieren? War es nicht richtiger zu verlieren?
    Und auf die Möglichkeit, die Dinge zu verändern, zu verzichten?
    Aber können sich die Dinge je verändern?
    Als Beatrice von einer ihrer höchst langweiligen Vernissagen nach Hause kam, nach eiskalter Winterluft duftend und mit einem Mondstrahl in den Haaren, fand sie ihn im Sessel zusammengekauert, die Brille auf der Stirn, übermannt vom Schlaf, der ihn aussehen ließ wie ein erschrockenes Kind.
    Die Reste einer Pizza mit Pfefferoni lagen auf dem Tischchen vor dem ausgemachten Fernsehgerät.
    Beatrice rüttelte ihn. Der Senator murmelte etwas, das seine Freundin nicht verstand.
    Ich will nichts von alldem, flüsterte Argenti.
    Ich lasse es nicht zu.
    Am Morgen darauf kam er in Scialojas Büro gerannt und schwenkte die Vernehmungsprotokolle des Kronzeugen Messina.
    – Ist das die Intrige, die Sie spinnen, Scialoja? Möchten Sie Sizilien die Unabhängigkeit schenken? Sollen wir Riina zum Senator auf Lebenszeit ernennen?
    Scialoja nahm die Protokolle und legte sie mit traurigem Blick beiseite. Dann bat er ihn, sich zu setzen. Argenti fand die eigene Aggressivität plötzlich lächerlich und hätte sich am liebsten entschuldigt. Scialoja war abgemagert, verwahrlost, als wäre die Energie aus ihm gewichen. Seit zwei oder drei Tagen hatte er sich nicht einmal rasiert.
    – Niemand glaubt an den Separatismus, Senator. Was mich anbelangt, würde ich mich mit viel weniger zufriedengeben. Einer menschlichen Geste zum Beispiel. Einem alten Boss zu erlauben, zu Hause zu sterben. Ihn in ein menschlicheres Gefängnis verlegen. Mit kleinen Dingen, einem kleinen Signal. Wegen so einer Bagatelle geht der Staat nicht den Bach hinunter …
    – Das würde bedeuten zu verhandeln, Scialoja! Und das darf der Staat nicht tun!
    – Ihr ändert euch wohl nie, ihr Kommunisten: Wie zu Moros Zeiten: Wir verhandeln nicht, wir verhandeln nicht, und inzwischen …
    – Das war eine schmerzhafte … und notwendige Entscheidung!
    – Das bestreitet niemand. Und ein Jahr darauf haben wir die Roten Brigaden und die Camorra bezahlt, Cirillo freizulassen. Los, kommen Sie, Sie haben einen Staat vor Augen, den es nicht gibt, Senator.
    – Welchen Staat auch immer ich vor Augen habe, Scialoja, Leute wie Sie hätten darin keinen Platz.
    Argenti stand auf, nahm die Protokolle, verabschiedete

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