Schmutzige Haende
selbst geschadet. Aber warum war Patrizia eigentlich mit Scialoja zusammen? Warum? Was seinen Chef anbelangte, hatte Camporesi das Urteil aufgehoben. Aber er fragte sich nach wie vor, wie übrigens alle anderen auch, warum Vecchio ausgerechnet ihn ausgesucht hatte. Ihn, der so farblos war, so … vielleicht hatte gerade das Vecchio überzeugt? Sein absoluter Mangel an Eigenschaften? Patrizia verließ den Friseursalon. Sie trug ein Kopftuch, um die Frisur zu schützen. Patrizia spannte einen rosa Schirm auf und ging entschiedenen Schrittes zum Zebrastreifen. Vielleicht steuerte sie auf das berühmte Café Antonini zu. Camporesi hörte, wie ein Motorrad mit heulendem Motor näherkam, und schnellte herum. Sie waren zu zweit, mit Helm. Sie fuhren auf sie zu. Camporesi riss die Autotür auf. Aber er war voreilig gewesen. Patrizia lag bereits mit fassungslosem Gesicht auf dem Boden. Das Motorrad fuhr davon. Der auf dem Hintersitz drückte die Handtasche, die er gerade einer Frau entrissen hatte, an die Brust. Instinktiv zog er die Dienstberetta. Eine Frau schrie. Ein kleines Grüppchen Menschen bildete sich um Patrizia herum. Ein grauhaariger Mann half ihr aufzustehen. Ein Schaulustiger im Volvo blieb stehen und verdeckte das Menschengrüppchen. Die Frau schrie noch immer. Camporesi sah, wie sie auf und ab hüpfte und mit ausgestreckter Hand auf irgendetwas zeigte. Zwei oder drei Menschen fluchten. In seine Richtung. Auf dem Gehsteig gegenüber standen jetzt noch mehr Schaulustige. Sie blickten ihn entsetzt an. Endlich kapierte Camporesi die Lage: Er stand mitten auf der Straße, mit der Pistole in der Hand, verwirrt. Ein verwirrter, bewaffneter Trottel. Ein Idiot, der die Deckung hatte auffliegen lassen. Er ging zu seinem Golf zurück und zwang sich, zuversichtlich zu lächeln. Aber er fuchtelte noch immer mit der Pistole herum und mittlerweile schrien alle in seine Richtung. Er steckte die Waffe in die Tasche des Trenchcoats, startete, fuhr mit quietschenden Reifen davon. Aus den Augenwinkeln sah er Patrizia und den grauhaarigen Mann. Dieser stützte sie, sie hinkte beim Gehen. Nach ein paar Minuten kam er zurück. Mittlerweile waren auch zwei Streifenwagen da. Die Frau, die geschrien hatte, erkannte den Golf und zerrte einen Polizisten wütend am Ärmel. Um weiteres Chaos zu vermeiden, ging Camporesi ihnen entgegen und zückte den Ausweis. Die brüllende Frau verstummte enttäuscht. Aber nichts und niemand würde ihn von der Überzeugung abbringen, dass der Taschenraub nur ein Ablenkungsmanöver gewesen war. Patrizia hatte er allerdings verloren.
3.
Später, im Salon des
Centro studi e ricerche
, entschuldigte sich Stalin dafür, dass die beiden auf dem Motorrad so unerfahren und unbeholfen gewesen waren.
– Ich hatte nicht genug Zeit. Ich musste eben zwei Straßenköter rekrutieren.
– Er hat mich also beschatten lassen.
– Du hast Camporesi ja auch gesehen, oder nicht? Unbeweglich mitten auf der Straße wie ein ausgedienter Pistolenheld … Ach, deine Telefone werden übrigens auch abgehört.
– Ich führe nur deine Anweisungen aus.
– Ist ja auch nichts passiert.
– Und das nennst du nichts?
Stalin küsste sie zärtlich.
– Beruhige dich. Du warst tapfer. Und jetzt erklär mir alles.
– Es gibt nichts zu erklären. Er traut mir nicht mehr.
– Wegen der Geschichte mit Secco, nicht wahr?
– Ja, du hattest recht. Ich war dumm.
– Den Fehler können wir wiedergutmachen.
– Glaube ich nicht.
– Du unterschätzt dich noch immer, Patrizia.
– Ich habe keine Lust mehr dazu, Stalin. Hören wir mit dieser Geschichte auf, ich bitte dich!
Stalin antwortete nicht. Er legte ihren Schlager auf. Patrizia schloss die Augen. Aufhören. Oder von Neuem beginnen.
– Jetzt gehst du nach Hause und lebst weiter wie immer. Wir müssen ihn überzeugen, dass sein Verdacht unbegründet ist. Vertrau mir, Patrizia. Es wird alles gut.
Statisten
1.
Cosa Nostra hegt nach wie vor den Traum, unabhängig zu werden, Herr über einen Flügel Italiens zu werden, über einen eigenen Staat, unseren Staat.
Bei diesem Vorhaben steht Cosa Nostra nicht allein da, sondern wird von den Freimaurern unterstützt.
Es gibt neue Kräfte … neue Gruppierungen, nicht traditionelle … die nicht aus Sizilien kommen … Cosa Nostra kann nicht länger dem Staat untertan sein, sich seinen Gesetzen unterwerfen. Cosa Nostra will sich des Staats bemächtigen und einen eigenen Staat haben …
Die Abspaltung sollte Sizilien, Kampanien,
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