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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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sich auf eher steife Art. Scialoja fuhr sich mit der Hand durch das Haar.
    – Ich beneide Sie, wissen Sie das? Ich beneide Sie um Ihre Gewissheit … schwarz und weiß, die Guten hier, die Bösen dort … hier, in der Grauzone, sehen wir die Dinge ein wenig anders … hier vermischen sich die Farben … und wollen Sie noch etwas wissen? Nach einer Weile gewöhnt man sich daran. Ich wünsche Ihnen, dass Sie so lange wie möglich auf der anderen Seite der Grenze bleiben.
    Und das waren nicht die Worte des Hurensohns, der die heimlichen Dossiers Vecchios verwaltete. Es waren die Worte eines verbitterten Mannes, der viel, sehr viel komplexer war als seine augenblickliche Rolle und seine persönliche Geschichte vermuten ließen. Erst viel später, bei ihrer letzten Begegnung, sollte Argenti verstehen, dass ihn Scialoja auf diese Weise um Hilfe gebeten hatte.

Lady Heroine comes back
1.
    Nick Cave sang: Dein Begräbnis ist mein Urteil.
    Valeria lauschte mit halb geschlossenen Augen.
    Valeria lauschte der geheimnisvollen Melodie des Herrn der Finsternis und träumte von Pino Marino.
    Valeria träumte von Pino Marino und von Lady Heroine.
    Aber Lady Heroine war eine schwarz gekleidete Muttergottes mit giftigem Kuss.
    Und Pino Marino ein allzu zögerlicher Kavalier.
    Valeria hielt sich tapfer.
    Valeria fühlte sich von ihm angezogen.
    Valeria spielte Klarinette für ihn.
    Valeria erklärte ihm, was Jazz und World Music waren.
    Pino entdeckte eine neue Welt.
    Valeria wollte mit ihm schlafen, obwohl er es nicht von ihr verlangte.
    Valeria hatte zu ihm gesagt: Gehen wir weg. Aber er hatte geantwortet: Ich kann noch nicht, morgen vielleicht, irgendwann.
    Valeria hatte darauf bestanden: nicht morgen, nicht vielleicht, nicht irgendwann, nicht eines Tages. Jetzt.
    Pino Marino hatte zu ihr gesagt: Warte.
    Valeria wartete.
    Aber Lady Heroine war ungeduldig.
    Lady Heroine klopfte an ihre Tür und riss sie mit ihrem verführerischen Lächeln und dem Druck ihrer durchsichtigen und schweißnassen Hand aus dem unruhigen Schlaf.
    Valeria erhielt einen Anruf …
    Es war B. G. Er war in Rom, um eine Show aufzuzeichnen. Sie hatten schon seit geraumer Zeit nichts voneinander gehört. Warum sollten sie nicht einen schönen Abend miteinander verbringen, zur Erinnerung an die alten Zeiten?
    Valeria sagte ab. Ich habe zu tun, sagte Valeria.
    Valeria rief jemanden an.
    Pino Marino hob nicht ab.
    B. G. rief wieder an.
    Valeria sagte zu.
    Lady Heroine kam zum Fenster hereingeflogen.
    Lady Heroine reichte ihr die durchsichtige, schweißnasse Hand.
    Folge mir, sagte sie.
    Valeria folgte ihr.
2.
    Ein paar Tage nach der Episode mit dem Taschenraub berichtete Yanez, dass die Telefone nicht mehr abgehört wurden, dass die Posten abgezogen waren und die Beschattung aufgegeben worden war. Patrizia wurde nicht mehr überwacht. Stalin schickte Guercio zu ihr.
    – Der Herr Doktor bittet Sie, für eine Woche zu packen. Er ist bereits in Ciampino. Das Flugzeug startet in ein paar Stunden.
    – Flugzeug? Wohin denn?
    – Das hat mir der Herr Doktor nicht gesagt, Signorina. Ich glaube, er möchte Sie überraschen. Aber Sie sollen warme Sachen einpacken.
    Patrizia betrachtete mit gerunzelter Stirn das Monster, das ihr Stalin als „meinen Bodyguard“ vorgestellt hatte. Er war ungeheuer hässlich. Als sie ihn aufforderte, in die Wohnung zu kommen, wurde er rot, und sobald er drinnen war, setzte er sich kerzengerade und mit verschränkten Armen auf einen Thonetstuhl. Als ob er nicht gewusst hätte, was er mit seinen Riesenpranken anfangen sollte. Ein treuer, dummer Befehlsempfänger. Der Herr Doktor hat mir gesagt, ich soll … Aber auch sie hatte gerade einen Befehl erhalten. Patrizia spürte ein Gefühl in sich aufsteigen, das etwas Rebellisches an sich hatte. Sie würde nicht mitfahren. Sie würde ihm nicht folgen. In den letzten Tagen hatte sie wieder einmal Gefallen an der Freiheit gefunden. Sie hatte herausgefunden, dass Einsamkeit sich in einen angenehmen Zustand verwandeln kann. Sofern man selbst entscheiden kann, wie und wann man ihr ein Ende macht. Aber diese Reise war keine freie Entscheidung. Diese Reise war ein Befehl. Stalin hielt sich einfach an das vereinbarte Schema. Er rief und sie kam gelaufen. Er verschwand, sie wartete. Sie, Patrizia, war das Problem. Ihre aufkeimende Unruhe war der „Sturm“.
    – Signorina, es wird spät … Der Herr Doktor ist wahrscheinlich schon ungeduldig.
    – Hat der Herr Doktor schon einmal darüber nachgedacht, dass

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