Schmutzige Haende
Mädchen war sehr gerissen, und er würde erst später draufkommen, auf welche Weise sie ihn reingelegt hatte. Zweitens: Sie war eine von jenen, die sich, na so ein Zufall, immer in die richtige Person verliebten. In eine Person, die einem den Weg ebnen, die einem, wie es im TV-Jargon hieß, den Steigbügel halten konnte. Dritte, letzte und am meisten beunruhigende Hypothese: Das Mädchen meinte es ernst.
In diesem Fall war sie eine Psychopathin.
Letztendlich war Mariella Brin nur eine mittelmäßige Metapher seiner mittelmäßigen Existenz. Inzwischen lebte er in einem Zustand ständiger Sorge. Mittelmäßigkeit. Elend. Und Patrizia weit weg. Patrizia wegen seiner Wahnsinnstat verloren. Wegen der wahnsinnigen Idee, an ihr gezweifelt zu haben.
An diesem Morgen war Patrizia ins Studio gegangen, um eine Folge ihrer Fitnesssendung aufzuzeichnen. Als sie nach Hause kam, nach einem Sandwich und einem Apfel-Karottensaft, stand er plötzlich vor der Haustür. Er wartete bereits seit zwei Stunden auf sie, aber das konnte sie nicht wissen.
Er hatte abgenommen. Er sah schuldbewusst drein. Aber immerhin war er zurückgekommen. Wie Stalin vorhergesehen hatte, war er zurückgekommen.
Sie lachte, sie lachte ihr tiefes, kehliges Lachen.
– Wie war sie?
– Wer?
– Die, die du heute Nacht gevögelt hast.
– Was redest du …
– Komm schon, ich habe auf dem Gebiet eine gewisse Erfahrung … Komm … Ich mach dir einen Kaffee …
2.
Maya blieb mit einem eleganten Schwung stehen und blickte die blaue Piste empor. Ihr war, als hätte Raffaella sie gerufen. Dieses verzweifelte „Mama, Mama“, das wie ein Leitmotiv ihren Tag skandierte. Mindestens hundert, zweihundert Mal. Zumindest darin war sie wie alle anderen Mütter auch. Und die Kleine wie alle anderen Kinder. Skilehrer, die geduldig die Bemühungen winziger Anfänger verfolgten. Überall Markenskianzüge in grellen Farben. Daneben, auf der gut sichtbaren schwarzen Piste, wedelten Ilio und Ramino Rampoldi herab. Letzterer im stechend grünen Overall, so grün wie die Farben Padaniens. Sie kreuzten ihre Spur, schnitten sich gegenseitig den Weg ab, kurz: Sie gingen ganz in dem uralten männlichen Spiel auf, wer der Bessere war. Aber von Raffaella keine Spur. Ob sie etwas weiter oben, kurz vor der Kurve, gestürzt war? Und wenn sie aufgrund eines Irrtums, oder auch absichtlich, die blaue Piste verlassen und – Gott behüte – die schwarze genommen hatte?
– Mama, Mama! Was ist? Geht es dir nicht gut?, rief jemand ein paar Schritte unter ihr. Aber nein, nein.
Da war auch schon der kleine rote Skianzug. Nur ein paar Schritte unterhalb von ihr. Raffaella musste an ihr vorbeigefahren sein, während sie abgeschwungen hatte. Maya verspürte Seitenstechen. Vielleicht eine Folge der Müdigkeit. Die Ärzte hatten ihr vom Skifahren abgeraten. Sie fuhr Ski, weil die Vorstellung, rekonvaleszent zu sein, ihrer Vorstellung von Leben zutiefst zuwiderlief. Dem obsessiven Wunsch, aktiv zu sein, den sie vom Gründer geerbt hatte. Sie fuhr Ski, weil sie sich auf keinen Fall das Schauspiel entgehen lassen wollte, wie Raffaella die wenigen Schritte zu ihr heraufgebrettelt kam, mit dem triumphierenden Gesichtsausdruck eines Kindes, das endlich die Erwachsenen überholt hat. Ihre Augen glänzten unter der Skibrille. Sie setzte wie wild die Stöcke ein, und ihr Lächeln offenbarte die süßen Lücken zwischen Eck- und Schneidezähnen.
Sie zog sie an sich. Bedeckte sie mit Küssen. Raffaella ließ ihre Zärtlichkeiten eine Zeitlang über sich ergehen, dann riss sie sich los. Maya bat sie um Entschuldigung. Weil sie nicht das Versprechen gehalten hatte, mit ihr nach Kenia zu fahren und Tiere zu beobachten, oder nach Mexiko oder Guatemala, wo sie auf die Berge der alten Indios hätten steigen können, die genauso hießen wie sie …
– Ich will gar nicht nach
Guatelama
, Mama. Mir geht es gut hier. Ich habe jede Menge Spaß!
Nun, von sich selbst konnte sie das nicht behaupten. Daran dachte sie, Stunden später, vor dem Kamin, während Jimmy und Shona den Tisch deckten und alle anderen von der Clique, die sich bereits zum Essen umgezogen hatten, verzweifelt überlegten, welchem Vergnügen man sich nach dem Abendessen hingeben konnte.
Verdammt, bald würde Weihnachten sein.
Irgendetwas musste es doch geben!
Aber niemandem fiel etwas Neues ein.
Nicht an diesem Abend.
Nicht in Cortina.
Offiziell hatten sie wegen des Auges auf die Reise verzichtet. Aber sowohl sie als auch Ilio
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