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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Stellvertreter und einfache Ehrenmänner geschickt, genauso wie die Familien aus Altofonte.
    Alle. Alle waren da. Alle Mafiosi waren da.
    Die Mafiosi waren dort, wo die Jungs die gepanzerten Autos, die Straße und den mit Vulkanstein gepflasterten Weg bewachten.
    Die Mafiosi waren dort, wo der Schnee im harten Winter des Ätnas immer höher wurde.
    Sicher, Provenzano war nicht da. Und keiner wusste, wer an seiner Stelle sprechen würde. Vielleicht irgendwer. Oder niemand.
    Zu’ Cosimo hingegen wusste, an wessen Stelle er sprach. Er sprach an Riinas Stelle. Riina war nämlich am 15. Januar verraten worden. Von einem Klatschmaul, einem Verräter und Bullen zwar. Aber er war verraten worden, und sie hatten ihn in eine Sonderhaftanstalt gebracht, wo sogar Tiere menschlicher behandelt wurden als er.
    Es gab nur noch ein Wort: Blut.
    Und das Wort konnte nur bedeuten: Massaker. Die Mafiosi übertrafen sich gegenseitig darin, möglichst extreme Vorschläge zu machen. Zyankali in die Abwasserkanäle zu schütten. Sie bei lebendigem Leib abzufackeln, gemeinsam mit allen Familienmitgliedern, Richtern und korrupten Politikern. Raketen auf das Haus des Papstes zu schießen, der keinen Finger rührte, während Christenmenschen ärger abgeschlachtet werden als im Kolosseum.
    Zu’ Cosimo hörte ihnen mit einem Lächeln auf den Lippen zu.
    Zu’ Cosimo hörte ihnen zu, denn letzten Endes würde er ein Machtwort sprechen und alle würden sich dem Wort beugen, das das Wort Riinas war. Riinas Wort, das allerdings von Provenzano gebilligt werden musste.
    Angelino Lo Mastro saß stumm in einer Ecke. Er kaute an einem Zigarrenstummel und dachte daran, dass schön langsam Protokolle mit seinem Namen in Umlauf gerieten. Mit der Freiheit würde es bald vorbei sein. Er musste untertauchen. Angelino fragte sich, ob es der Mühe wert gewesen war. Ob sie nicht gerade ihrer aller Begräbnis begingen.
    Später, als feststand, dass die Zeit des Esels, der von zwei Heuhaufen frisst, vorbei war, später, als Zu’ Cosimo berichtet hatte, wer die ersten Zielscheiben waren und wann sie zuschlagen würden, später, als sich der Saal geleert hatte, kam Zu’ Cosimo lächelnd auf Angelino zu und sagte zu ihm:
    – Komm. Ich muss mit dir reden.
    Draußen war es bereits Nacht. Draußen war es eiskalt, so kalt, dass nur jemand, der Sizilien im Winter nicht kennt, von der Insel der Sonne sprechen kann. Zu’ Cosimo führte Angelino auf den Felsvorsprung über dem Tal und zeigte mit seinem dürren Finger auf die Lichter der Dörfer, die sich auf dem Berghang befanden. Und er gedachte der Vergangenheit, ihrer aller ruhmreichen Vergangenheit.
    Dort hat ’69 das Massaker stattgefunden … dort haben wir die beiden Hirten hingerichtet, du weißt schon … und dort, genau auf dem Domplatz, haben wir den Verräter Totuccio Lopiparo erwischt … wir waren zu dritt … wie drei Brüder waren wir … es ist traurig, Angelino, wenn die Jungen den Alten den Rücken zukehren …
    Angelino schauderte. Aber nicht nur wegen der Kälte. Sondern wegen der Fähigkeit seines alten Mentors, seine verborgensten Gedanken zu lesen. Genau das machte ihm Angst.
    – Was ist, Angelino? Hast du was auf dem Herzen?
    – Nichts, Zu’ Cosimo, nichts.
    – Angelino, wir dürfen nicht verlieren, was wir aufgebaut haben. Das dürfen wir nicht zulassen. Deshalb müssen wir vorwärtsschreiten. Ich weiß, dass du jung und ehrgeizig bist. Und ich weiß, dass den Jungen das Gefängnis härter ankommt als uns Alten, die wir das Leben bereits hinter uns haben. Aber genau deshalb müssen wir vorwärtsschreiten! Genau in diesem Augenblick müssen wir einig bleiben, einig wie die Finger einer Hand … wenn wir jetzt stehen bleiben, ist es, als würden wir die Cosa Nostra auflösen und uns alle ergeben! Es gibt so Gerüchte …
    Angelino zündete sich eine Zigarre an. Zu’ Cosimo runzelte missbilligend die Stirn. Rauchen ist schädlich. Frauen sind schädlich. Nur die Cosa Nostra hat nie etwas Schädliches gemacht, macht nichts Schädliches und wird auch nie etwas Schädliches machen. Sie schadet nur ihren Feinden. Angelino hatte dem Zio was zu sagen. Auch etwas, was die „Gerüchte“ anbelangte. Was für Gerüchte übrigens? Die Gerüchte, dass ihr euch mit den Amerikanern abgesprochen habt und wir nichts davon wussten? Und jetzt? Mit wem habt ihr euch jetzt abgesprochen? Und wer bestimmt die Absprachen? Und warum spricht seit Monaten niemand mehr mit Provenzano? Ja, einig wie die Finger einer

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