Schmutzige Haende
ein, dann machte er auf Offizier und Gentleman! Maya zog die Hand mit einer verärgerten Geste zurück.
– Halten Sie mich für eine alte Schlampe?
Scialoja richtete sich auf, peinlich berührt. In gewissen Augenblicken beneidete er Camporesi um die Sicherheit im gesellschaftlichen Umgang, die er aufgrund seiner Herkunft besaß.
– Ich kenne Sie erst seit wenigen Minuten und schon muss ich mich ein zweites Mal bei Ihnen entschuldigen!
– Entschuldigen reicht nicht. Kommen Sie mit!
Maya führte ihn dorthin, wo die Party voll im Gange war, unter dem missbilligenden Blick der Eltern und den ängstlichen Blicken der Kinder.
– Dieser Herr ist der Chef der Polizei. Er ist ein guter und kluger Chef. Er hat die bösen Männer weggeschickt, die vor dem Tor standen. Stimmt’s?
Scialoja nickte. Ein paar Mütter bedankten sich bei ihm, zuerst schüchtern, dann immer überzeugter. Ein paar Väter drückten ihm die Hand. Die kleine Raffaella fragte ihn, ob er wirklich ein Polizist sei.
– So etwas Ähnliches.
– Ach, deshalb trägst du keine Uniform!
Dann wandte sich Raffaella wieder etwas oder jemand Interessanterem zu. Maya stellte ihn allen möglichen Leuten vor, und während sich alle fragten, wer denn dieses geheimnisvolle hohe Tier sei, begab sich Scialoja unter irgendeinem Vorwand auf die Suche nach denen, die die Antwort auf die Frage wussten. Giulio Gioioso und Ilio Donatoni befanden sich ganz allein in einem hohen Raum, einer Art Taverne, vor dem erkalteten Kamin. Er brauchte sich nicht vorzustellen. Man wartete auf ihn. Mit einem einzigen Satz machte er Ilio klar, dass nicht ihre gemeinsamen Geschäfte, über die man sich allerdings lange hätte unterhalten können, sondern Giulio Gioioso der Grund seines Besuches war. Donatoni zog sich erleichtert zurück. Giulio Gioioso faltete die Hände wie zu einem Gebet und versuchte mit einem süßlichen Lächeln das Terrain zu sondieren.
– Ehrlich gesagt, Doktor Scialoja, wäre dieses ganze Theater nicht nötig gewesen. Um mich zu treffen, hätten Sie einfach in mein Büro kommen können …
– Schon gut, Gioioso. Lassen wir die Floskeln. Ich möchte, dass Sie unserem gemeinsamen Freund eine Botschaft überbringen.
An die Stelle des süßlichen Lächelns trat eine angespannte Grimasse. Er versuchte Zeit zu gewinnen. Angelino Lo Mastro war verschwunden. Die Direktleitung war abgeschaltet. Seine Techniker hatten ihm erklärt, dass man sogar ein abgeschaltetes Handy über die Spur des Akkus orten konnte. Geheimprotokoll, war ihm garantiert worden. Aber man weiß ja: Geheimhaltung ist in Italien eine Chimäre. Als Angelino beschlossen hatte, sich der Gegenüberstellung zu entziehen, hatte er auch den Akku verschwinden lassen.
Scialoja hatte in Erfahrung gebracht, dass gegen Angelino zwei Haftbefehle vorlagen: wegen mafiöser Verbindung und Beihilfe zur Erpressung. Doch er war aus einem anderen Grund verschwunden: wegen Riinas Verhaftung. Angelino wollte nicht mit ihm sprechen, weil Riinas Festnahme in Sizilien als Verrat galt. Aber auch wenn es einen Verrat gegeben hatte, betraf es ihn, Scialoja, nicht. Der Kanal durfte nicht einfach so, aufgrund des dreckigen Dutzends von Captain Ultimo, explodieren. Aber wie sollte man Angelino finden? Scialoja hatte in Vecchios Dokumenten gewühlt. Unter dem Eintrag
Cosa Nostra/unbescholtene/Kontakte
. Dabei war der Name Giulio Gioioso aufgetaucht. Eine Generation älter als Lo Mastro, promovierter Mediziner, hat den Beruf jedoch nie ausgeübt. In den frühen siebziger Jahren von Palermo nach Mailand übersiedelt. Auch er unbescholten, auch er Unternehmer, jedoch mit zweifelhaftem Erfolg. Bei einigen Gesellschaften als Verwalter des Amts enthoben, in erster Instanz wegen betrügerischen Konkurses verurteilt und dann am Berufungsgericht freigesprochen, war er zuletzt Berater der Donatoni-Gruppe. Mit der irritierenden Schrift eines fleißigen Schülers hatte Vecchio am Rande vermerkt: „Gio. Bringt Don. nach Sizilien. Gegenleistung?“ Sichere Beweise, dass Giulio Gioioso der Mafia angehörte, gab es nicht. Oder zumindest nicht in Vecchios Notizen. Gioioso und Lo Mastro. Ein Geschäftsmann und ein angeblicher Mafioso. Und Donatoni, der Gatte der schönen Signora, Donatoni, der nach Sizilien gebracht wird …
– Ich gebe gern zu, dass ich Herrn Lo Mastro irgendwann einmal kennengelernt habe …. In seiner augenblicklichen Situation … Sie wissen doch von seinen Problemen mit der Justiz, nicht wahr? In seiner
Weitere Kostenlose Bücher