Schnabel, Andreas
auf dem Bildschirm nur noch ein Eintrag.
»Bingo. Der Mann, auf den alles zutrifft, heißt Erwin Krause, gebürtig aus der Nähe Rostocks. Er war einer der berüchtigsten Folterknechte in den norddeutschen Stasigefängnissen und bekannt dafür, dass er den Delinquenten gern die Stimmbänder durchtrennte, damit sie ihn bei der Folter nicht durch Schreie belästigten. Er summte bei der Arbeit immer die ›Internationale‹. Gegen ihn gibt es schon seit über zwanzig Jahren einen internationalen Haftbefehl, der jährlich erneuert wird. Der muss eine ganz große Nummer gewesen sein. Bei Luschen machen die so etwas nicht.«
»Das ist unser Mann«, jubelte der Comisario. »Freaky, können Sie den Kerl auf diesem Bild dreißig Jahre älter machen und ihn mit langen weißen Haaren versehen?«
»Kein Problem. Camila wird mir dabei helfen. Was Grafik betrifft, hat sie das bessere Händchen.« Die junge Frau, die die ganze Zeit still neben ihm gestanden hatte, setzte sich vor Freakys Notebook und ließ ihre Finger über die Tastatur fliegen.
»Und du, Carmen«, sagte García Vidal, denn er wusste, dass nur sie diese Aufgabe lösen konnte, »wirst dieses Bild bitte an alle Einsatzkräfte dieser Insel weitergeben. Ich wünsche, dass es innerhalb der nächsten Stunde an sämtlichen Hotelrezeptionen Mallorcas gezeigt wird.«
Carmen war skeptisch. »Ich denke nicht, dass so viele Beamte, wie wir dafür benötigen würden, von der Guardia Civil oder den Municipales freigestellt werden können.«
»Dann soll eben die Armee, die Feuerwehr und meinetwegen auch die Heilsarmee helfen. Der Padrón wird Annmarie töten wollen. Wir haben Glück, dass er sich dabei gern Zeit lässt, aber deswegen dürfen wir das Ganze nicht auf die lange Bank schieben.«
*
Yussuf stand an der Reling der israelischen Corvette »Eilat« und stierte ins Wasser. Dass er seine Kabine nun endlich mal verlassen durfte, wertete er als komplette Rehabilitation. Commander Yael Elazar trat neben ihn.
»Major Al Madgier, ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Colonel Momperen gestern Abend sicher auf Mallorca angekommen ist und Ihre Version der Geschehnisse zudem in vollem Umfang von Ihren Mitgefangenen und den inzwischen konsultierten spanischen Behörden bestätigt wurde.«
Obwohl Yussuf ein Stein vom Herzen fiel, konnte er sich nicht richtig über diese Nachricht freuen.
»Wären da nicht ein paar hundert Seemeilen Wasser zwischen uns und dem Festland, Major, wären Sie jetzt ein freier Mann.«
»Theoretisch, aber was sagt die Praxis? Kann ich mich in meinem Heimatland je wieder sehen lassen?«
»Sie wurden vom Syndikat gejagt, nicht von der Armee«, erwiderte der Commander.
»Die Armee ist das Syndikat, Frau Rechtsanwalt. Nach Hause kann ich nicht mehr und auch in kein anderes Land. Die Armee wird mich als Fahnenflüchtigen behandeln.«
»Ich denke, dass sich in diesem Punkt auf diplomatischem Wege sicher etwas bewerkstelligen lässt. Ein Machtwort des amerikanischen Militärattachés in Algerien, und Sie sind mit allen bürgerlichen Rechten in Ehren entlassen. Wir sind übrigens auf dem Weg nach Sardinien. In Cagliari werden die drei Gefangenen den italienischen Behörden übergeben und von dort aus dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag überstellt. Sie können dort gern von Bord gehen, wenn Sie wollen.« Sie drückte ihm einen Umschlag mit tausend Euro in die Hand. »Betrachten Sie das bitte als Haftentschädigung unsererseits.«
»Was mich noch interessiert«, fragte Yussuf leise, »wäre die Frage, wie Sie uns in der Wüste überhaupt gefunden haben.«
»Wir waren Ihren Kameraden schon lange auf den Fersen«, erklärte Commander Yael Elazar. »Unser Geheimdienst hat uns schon zwei Stunden vor Ihrer Verhaftung darüber informiert, sodass Sie die ganze Zeit unter Beobachtung standen. Parallel dazu hat ein anderes Sealteam die geschmuggelten Raketen in Sicherheit gebracht.«
Yussuf sah sie betreten an. »Wenn neben den Waffen nicht auch die Waffenhändler von Interesse wären, dürfte ich jetzt bereits tot sein, oder?«
»Sie sind es, und Sie leben. Nichts anderes zählt.«
Yussuf lächelte traurig. »Und was darf ich Ihnen dafür, dass Sie mir das Leben gerettet haben, anbieten?«
»Major, wenn Sie sich für Frauen weiterhin so ritterlich einsetzen, wie Sie es für Frau Momperen getan haben, wäre das Gegenleistung genug.«
»Ich fürchte, ich war nicht ritterlich, sondern einfach nur verliebt.«
Jetzt war sie es, die
Weitere Kostenlose Bücher