Schnabel, Andreas
es.«
»Lassen Sie mich doch mit Ihrer Kinderkacke in Ruhe, und machen Sie einfach Ihren Job.«
»Comandante, das würden wir gern tun, aber wir sind nicht vom Staatsschutz und haben demnach von nichts eine Ahnung. Wenn ich Ihnen einen Vorschlag unterbreiten dürfte: Sie sollten die Einsatzleitung an jemanden übergeben, der mit unserer Arbeitsweise vertraut ist.«
Álvarez hatte sichtlich Mühe, sich zu beherrschen. »Ach, daher weht der Wind. Das ist nicht nur Befehlsverweigerung, das ist Subordination«, brüllte er. Plötzlich bekam sein Gesichtsausdruck etwas Teuflisches. »Nun gut, meine Herren, Sie haben es nicht anders gewollt. Ich werde Sie genauestens beobachten, und wenn auch nur der kleinste Fehler gemacht wird, kann derjenige bis zur Rente Gefängnistoiletten reinigen, das verspreche ich Ihnen.« Er ignorierte sowohl García Vidal als auch Ramirez und ging auf einen der beiden Streifenpolizisten zu. »Name?«
»Guardia Jesus Fuentes, Señor Comandante.«
»Guardia Fuentes, Sie werden ab sofort die Einsatzleitung übernehmen. Haben Sie verstanden? Sollte auch nur die kleinste Kleinigkeit schiefgehen, werde ich höchstpersönlich dafür sorgen, dass es Ihnen so ergeht wie Ihrem Namensvetter, und Sie auf der Plaça Mayor von Santanyí kreuzigen lassen! Verstanden?«
»Sí, Comandante.«
Der junge Mann trat vor und drehte sich zackig um einhundertachtzig Grad zur Truppe hin. »Achtung, Guardias«, rief er, und sein versteinertes Gesicht wich einem breiten Lächeln. »Es wäre schön, wenn ihr jetzt euren Job machen würdet«, sagte er in normalem Tonfall.
Alles nahm Haltung an und knallte mit den Hacken. Ohne weitere Worte, aber mit offensichtlich guter Laune ging jeder seiner Wege – nicht ohne dabei den Kollegen Fuentes grinsend abzuklatschen.
Álvarez stand kreidebleich vor dem Bus. »Señor Ramirez, Señor García Vidal, ich werde Ihren Vorgesetzten von diesem unglaublichen Vorfall berichten. Das war in der Geschichte der spanischen Polizei einmalig.«
García Vidal schüttelte den Kopf. »Nein, Señor Álvarez, einmalig war es nicht. Sollten Sie unseren Vorgesetzten wirklich davon berichten wollen, können Sie sicher sein, dass die ganz genau wissen, dass leitende Beamte mit Napoleonwahn bei der spanischen Polizei seit über hundert Jahren genau so von der Truppe in ihre Schranken gewiesen werden.«
*
Sie wurden nun schon seit über drei Stunden in ihren Geländewagen durchgeschüttelt. Annmarie hatte inzwischen große Mühe, ihre Übelkeit hinter ihrem ständig wegrutschenden Schleier zu verbergen.
»Ist dir nicht gut, Chérie?«, erkundigte sich Yussuf. »Du scheinst mir etwas grün um die Nase herum zu sein.«
Annmarie zuckte bei dieser ungewohnten, aber vor versammelter Mannschaft wohl unverfänglichen Anrede zusammen und vergaß darüber fast ihr Unwohlsein. »Wo geht es jetzt eigentlich genau hin?«, fragte sie, ohne auf ihn einzugehen.
»Wir stoßen gleich auf die Nationalstraße 6 in Richtung Norden und versuchen, heute noch Reggane zu erreichen, das ist eine kleine Garnisonsstadt. Ich hoffe, dass wir dort den Versorgungsflieger nach Oran noch erwischen.«
Der Gedanke daran ließ sie schaudern. Ohne Tabletten gegen Übelkeit würde sie das kaum überstehen. »Können wir nicht mit dem Auto fahren?«
»Das sind mehr als eintausendfünfhundert Kilometer, und die algerischen Straßen sind wahrlich kein Vergnügen. Du willst doch bald nach Hause, oder?«
Sie nickte und ergab sich ihrem Schicksal. »Wie geht es dann weiter?«
»Wir werden glücklich und zufrieden auf meinem Stützpunkt leben, und wenn ich nicht fliegen muss, werden wir Söhne machen. Du wirst mir eine ganze Fußballmannschaft schenken.«
»Es wird mir eine Freude sein. Ich wäre allerdings dankbar, wenn für die Zuschauer eine andere Frau zuständig wäre …«
Er musste lachen. »Wir werden damit beginnen, sowie wir daheim sind.«
Sie nickte ihm dankbar zu und beobachtete ihn eine Weile. Zu gern würde sie wissen, was in diesem Mann wirklich vorging. Einerseits war er ihr und ihren Sorgen zugewandt, andererseits interessierte es ihn anscheinend überhaupt nicht, Näheres über ihren Leidensweg zu erfahren. Konnte sie so einem Menschen überhaupt trauen? Aber was blieb ihr anderes übrig? Yussuf schien ihre einzige Chance zu sein, überhaupt noch einmal in ihr altes Leben zurückzukehren.Wenn sie es heute wirklich noch zu dem Transportflugzeug schaffen sollten, würde sie ihn während des Fluges fragen. In dem
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