Schnabel, Andreas
sehnsüchtig.«
Carmen erhob sich auf García Vidals Wink und ging ins Arbeitszimmer, um am Telefon ihre Kontakte bei Germanwings spielen zu lassen. Eine frühere Kommilitonin von ihr bekleidete beim mallorquinischen Personal des Unternehmens eine leitende Position. Am Tisch herrschten Fassungslosigkeit und Erstaunen.
»Cristobal, ich möchte jetzt zu gern wissen, was in Ihrem Kopf vorgeht«, sagte die Gräfin.
»Ich versuche, einen Plan zu ersinnen, um das Unmögliche möglich zu machen.«
»Vielleicht fangen wir zunächst mit der Beschreibung des Unmöglichen an?«, bat sie.
»Die Stadtverwaltung von Santanyí ist kein Riesenapparat. Wenn wir da morgen reingehen und jemanden festnehmen, weiß es dank Twitter und Facebook drei Minuten später der ganze Kontinent.«
Berger hob lächelnd den Zeigefinger. »Jetzt weiß ich, was hier abgehen soll. Sie wollen den Übeltäter geräuschlos entfernen und ihn durch unseren Freaky ersetzen.«
»Sí, aber vor allem«, sagte García Vidal und goss sich etwas Wasser in sein Glas, »darf zwischen dem Übeltäter und seinen Auftraggebern keine Kommunikationslücke entstehen. Die müssen denken, dass ihr Mann noch immer unentdeckt im Rathaus sitzt.«
Angelas Handy klingelte erneut. »Hi, Freaky, gibt’s ein Problem?«
»Allerdings. Der Junge ist gut. Er hat meinen Spion entdeckt und weiß nun, dass ihm jemand auf den digitalen Fersen ist. Wenn Sie zugreifen wollen, sollten Sie es möglichst sofort tun, bevor der sich abseilt.«
*
Die Guardia Civil hatte, wie vom Comisario angeordnet, rund um das Rathaus Stellung bezogen, als García Vidal mit Berger, Angela und Carmen eintraf. Auf der Plaça war der Tanz bereits beendet, es war aber noch immer jede Menge Betrieb, sodass die paar Uniformierten in der Menschenmenge nicht weiter auffielen. Der vor dem Rathaus postierte Polizist der Policía Local schien seine Bundeskollegen nicht zu bemerken.
»Die Stadtpolizei wird entweder in eine Art Schockstarre gefallen sein, oder er ist mental auf Schnarchmission«, murmelte Berger, als sie schräg gegenüber in der Bar Sa Plaça Stellung bezogen. Kaum saßen sie draußen am Tisch, stand Lorenzo schon mit dampfenden Cortados vor ihnen. Sie verbanden die Pflicht mit dem Angenehmen.
»Miguel, schauen Sie. Da brennt tatsächlich ein Licht. Unser Mann scheint wirklich noch online zu sein.«
»Sí, Comisario, und der Rest der Behörde liegt im verdienten Koma.«
»Bis auf die Policía Local, meine Herren.« Der Chef der »Municipales«, wie Hidalgo seine Truppe liebevoll nannte, trat an ihren Tisch. Er war wohl doch von seinen Leuten alarmiert worden, hatte sich rasch seine Uniform über den Schlafanzug gezogen und war auf die Plaça gestürmt. »Darf ich den Grund dieses nächtlichen Auftriebs erfahren? Wieso haben Sie mit Ihren Leuten das Rathaus umstellt?«
»Hola, Señor Hidalgo«, begrüßte ihn García Vidal höflich. »Das ist aber nett, Sie hier zu treffen.«
Hidalgo schien weniger erfreut zu sein. »Comisario, Sie und Ihr Kriminaltourist sollten langsam begreifen, dass ich längst nicht so blöd bin, wie Sie meinen.«
»Setzen Sie sich, Comandante.« García Vidal gab Lorenzo das Zeichen für einen weiteren Cortado. »Ich muss Sie allerdings bitten, dass alles, was Sie jetzt von mir hören, unter uns bleibt.«
Hidalgo musterte ihn skeptisch, nickte dann aber. »Gut, solange es legal ist.«
»Das ist es, Señor, darauf können Sie sich verlassen. Dort oben im Rathaus, genau da, wo das Licht brennt, sitzt ein Mann.«
»Geht es etwas genauer?«
»Nein, leider nicht.«
»Noch nicht«, schob Carmen nach.
Auf Hidalgos Gesicht erschien ein Grinsen. »Sie ermitteln mit großem Aufgebot, wissen aber noch nicht genau, gegen wen und schon gar nicht, weswegen.«
García Vidal nickte. »Weswegen wir ermitteln, ahnen wir, aber gegen wen, da tappen wir noch völlig im Dunkeln.«
Hidalgo genoss es sichtlich, sein Wissen ins Spiel zu bringen. »Hat die Wellness-Finca, die Sie observieren, etwas damit zu tun?«
»Wir gehen davon aus.«
»Und Sie glauben wirklich, dass unsere kleine Camila Campillo etwas damit zu tun hat?« Hidalgo wirkte ehrlich betroffen. »Dort, wo das Licht brennt, sitzt sie nämlich in ihren Semesterferien fast jede Nacht. Sie ist die Tochter eines tödlich verunglückten Kollegen und studiert in Barcelona angewandte Informatik. Wenn sie hier ist, bringt sie regelmäßig den Server der Stadt wieder in Ordnung.«
»Sie kennen sich aber gut mit den städtischen
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