Schnabel, Andreas
Angestellten aus.«
»Ich weiß es in Camilas Fall, weil wir Municipales ihre Ausbildung bezahlen. Wir konnten sie und ihre große Schwester Olivia doch nicht in der Scheiße sitzen lassen. Ihre Mutter hat sich nach dem Tod ihres Mannes das Leben genommen.«
»Und was macht Camilas Schwester?«
»Sie ist für ein lächerliches Gehalt als Sachbearbeiterin beim Ordnungsamt beschäftigt. Das, was die Kommune zahlt, reicht nicht zum Leben und nicht zum Sterben. Schon gar nicht, wenn es sich um weibliche Angestellte handelt. Das ist eine Schande, Señor, dagegen sollten Sie einmal ermitteln.«
Berger hatte alle Mühe, seinen Lieblingsfeind nicht plötzlich sympathisch zu finden. »Hut ab, Señor, ich wusste nicht, dass Sie für Ihre Mitarbeiter so sehr einstehen.«
»Señor Comandante«, sagte der Comisario und trank seinen Cortado aus. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zu Ihrem Schützling da oben hochgehen könnten, um ihr zu sagen, dass ihre Aktivitäten aufgeflogen sind. Sie soll auf einen Cortado zu uns kommen. Ich denke, es ist an der Zeit, dass die junge Dame reinen Tisch macht.«
»Ich danke Ihnen, Señor Comisario.« Hidalgo erhob sich. »Ich denke, dass ich sie, wenn sie denn wirklich die Schuldige sein sollte, zu dieser ehrenvollen Lösung überreden kann.« Erhobenen Hauptes schritt er quer über die Plaça zum Rathausportal.
»Miguel, Sie sind so schweigsam«, sagte García Vidal nach einer Weile.
»Sí, das bin ich. Ich hätte nicht gedacht, dass sich ein so kleinkariertes Arschloch auch anständig benehmen kann.«
»Ihr Muster ist oftmals auch nicht sehr viel großmaschiger«, gab Carmen zu bedenken.
Berger nickte betroffen. »Da magst du recht haben. Ich werde versuchen, daran zu arbeiten.«
Der Wachposten vor dem Rathaus kam plötzlich zu ihnen herübergerannt. »Señor Comisario, kommen Sie bitte, es sieht so aus, als hätte sich Camila etwas angetan! Der Comandante bittet Sie, ganz schnell zu ihm zu kommen.«
Alle vier sprangen auf und rannten los.
»Rettungswagen und Notarzt?«, rief Carmen.
»Schon alarmiert«, antwortete der atemlose Polizist.
Kaum eine Minute später standen sie vor dem Schreibtisch der jungen Frau, die bewegungslos am Boden lag. Hidalgo kniete neben ihr und versuchte liebevoll, sie durch zartes Tätscheln der Wangen aufzuwecken. Angela schob ihn beiseite und kümmerte sich als ausgebildete Ersthelferin um das Opfer.
Berger entdeckte auf dem Schreibtisch zwischen Tastatur und einem leeren Wasserglas ein leeres Medikamentenfläschchen. »Was ist Tabor?«
»Davon habe ich schon gehört«, sagte Angela schnaufend. Sie versuchte zusammen mit Carmen, die fast bewusstlose Camila auf ihre Füße zu stellen, um ihren Kreislauf wieder in Schwung zu bringen. »Das ist irgendwas für die Psyche. Steht auf dem Etikett, welcher Wirkstoff da drin ist?«
»Lorazepam«, las Berger vor. »Kann man sich damit umbringen?«
»Woher soll ich das wissen?« Sie sah sich suchend nach dem Comisario um, der sich etwas im Hintergrund hielt. »Cristobal, ruf bitte die Leitstelle an und teile ihnen mit, dass es sich möglicherweise um eine Lorazepam-Vergiftung handelt. Vielleicht kann uns der Notarzt über Funk schon mal ein paar Tipps geben.«
*
Nachdem die Dienstpläne für die kommenden Tage fertig waren, hatten Hakim und Yussuf endlich Zeit für ein paar private Worte.
»Na, wie ist es, wenn man plötzlich auf eine Frau gelegt wird?«
»Frag doch nicht so dämlich, du hast doch selbst schon auf welchen liegen müssen.«
»Stimmt, und unsere Väter haben sich nun einmal in den Kopf gesetzt, uns beide zu verheiraten, ob wir wollen oder nicht.«
»Ach, guck mal einer an.« Yussuf hob entrüstet den Kopf. »Ich dachte, mein Onkel sei die treibende Kraft gewesen.«
»Nein, mein Lieber. Ich denke, das waren unsere Väter. Die sitzen ja den ganzen Tag zusammen im Generalstab und haben dort wohl nichts anderes zu tun, als sich Sorgen um unsere Hormone zu machen. Aber wie sollten wir auch anders unsere Homosexualität ausleben, wenn nicht unter dem Deckmantel einer Ehe?«
»Du meinst, sie wissen um uns?«
»Die sind doch nicht blöd.« Hakim bemerkte Yussufs Verwirrung und musste schmunzeln. Yussuf, Geliebter, sieh dir doch mal die Beziehungen unserer Väter zu unseren Müttern an. Die reden ja nicht einmal mehr miteinander, während die Herren Generäle sogar zusammen shoppen gehen.«
»Du meinst …« Yussuf fand den Gedanken, je länger er darüber nachdachte, gar nicht so abwegig.
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