Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schnabel, Andreas

Schnabel, Andreas

Titel: Schnabel, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod inclusive
Vom Netzwerk:
hat.«
    »Dann scheint er eine extrem phantasievolle Blase zu haben«, kommentierte Tante Auguste trocken. »Also, meine Damen, sollen wir uns bei dieser dünnen Beweislage tatsächlich davon abhalten lassen, noch schöner zu werden?«
    »Never ever«, murmelten alle verschworen, als nun auch Berger und der Comisario die große Wohnküche betraten, in der es sich die Damen an der langen Holztafel bequem gemacht hatten.
    »Seid ihr wieder bei ›Einer für alle und alle für einen‹ angelangt?«, fragte Berger lachend und steuerte den Espressoautomaten an, um sich und den Comisario mit Cortados zu versorgen. »Will sonst noch jemand?«
    Da alle nickten, sprang die Gräfin auf, um ihm zu helfen. »Wir haben uns gerade dazu entschlossen, auf der Wellness-Finca weiterhin unsere Anwendungen zu machen. Mir wäre allerdings wohler, wenn die Kameras in den Räumen, in denen wir gerade sind, ausgeschaltet werden.«
    »Das wäre ein ziemlicher Aufwand«, gab García Vidal zu bedenken. »Auf den Bildschirmen hopsen so viele nackte Menschen in allen nur erdenklichen Schattierungen herum, dass ihr mit einem Verbot erst so richtig herausstechen würdet.«
    Carmen nickte. »Da hat er recht. Als Nackte unter vielen Nackten geht ihr unter. Wenn alle darauf achten müssen, dass bei euch weggeguckt wird, müssen sie ja erst genau hinsehen.«
    »Hat die Observation bisher eigentlich was gebracht?«, wollte Angela Bischoff wissen.
    »Nein. Alles ist ›Business as usual‹ .« Der Comisario rührte Zucker in seinen Cortado. »Das Einzige, was uns Kopfzerbrechen macht, ist ein Zischen und Rumpeln ein paarmal am Tag.«
    »Vielleicht von einem Schnellkochtopf?«, mutmaßte die Großherzogin.
    »Wozu brauchen die denn Schnellkochtöpfe auf einer Wellness-Farm?«
    »Für den Babyschiss. Algen, die wie verdauter Spinat aussehen, müssen sehr lange gekocht haben.«
    »Schnellkochtöpfe zischen«, wusste Angela Bischoff, »aber sie rumpeln nicht.«
    »Rumpeln und zischen …«, sagte Tante Auguste grüblerisch. »Ich habe 1945 als Jugendliche für ein paar Monate in der Wandsbeker Hauptpost im Rohrpostbüro gearbeitet. Da hat es den ganzen Tag über gezischt und gerumpelt.«
    »Rohrpost.« Berger nickte. »Das könnte sein. Wir werden den Tipp mal an Ramirez weitergeben.« Er überlegte. »Aber warum sollten die auf so einer hypermodernen Finca im digitalen Zeitalter noch eine Rohrpost haben?«
    Carmen hob abwehrend die Hände. »Bevor wir das Rumpeln weiter vertiefen, würde ich gern wissen, was in der Gerichtsmedizin los ist.«
    »Nicht mehr viel«, bemerkte García Vidal. »Brandstiftung scheint so gut wie sicher. Die Kühlfächer sind mitsamt Inhalt verglüht.«
    »Es ist außerdem zu befürchten«, komplettierte Berger das Bild, »dass der Server, der gleich neben dem Kühltrakt untergebracht war, mit eingeäschert wurde. Was an forensischen Ergebnissen also nicht im digitalen Archiv der Stadt gelagert wurde, dürfte futsch sein.«
    Alles dachte nach.
    »Ihr habt bisher kaum etwas zusammentragen können«, sagte die Großherzogin schließlich. »Dennoch habt ihr schon jemandem auf den Schlips getreten. Da dürfte es doch überschaubar sein, wem.«
    »Eben nicht.« Der Comisario wirkte deprimiert. »Wir drehen uns im Kreis.«
    *
    Die gesamte Fläche des Plaça Mayor in Santanyí wurde für den Abend zur Disco erklärt. In der Mitte war mit Straßengittern eine große Freifläche geschaffen worden, um die herum Stühle in Dreierreihen standen. Von hier aus konnten die ganz Alten mit den ganz Jungen und den strikten Tanzmuffeln beobachten, wie der Rest der Bevölkerung »La Linea« tanzte. Jeder General würde vor Stolz platzen, wenn sich seine Rekrutenschar auf dem Paradeplatz nur annähernd so rhythmisch und vor allem so gleichmäßig zur Musik bewegen würde wie Santanyís Bevölkerung. Gut und gern dreihundert Menschen tanzten in Reih und Glied und hatte dabei richtig Spaß.
    Erwin Krause passte mit seinem ernsten Gesicht nicht in die Reihen der Beobachter, die eigentlich alle lächelten und mit irgendeinem Körperteil im Takt mitwippten. Rein äußerlich hatte er mit seiner langen schlohweißen Mähne und seinen rund fünfundsiebzig Jahren etwas von einem an den Urlaubsstränden dieser Welt in Ehren ergrauten Lebemann. Der sündhaft teure pastellfarbene Leinenzwirn, in den er sich gehüllt, und die ebenfalls nicht billigen weißen Slipper, die er barfuß übergezogen hatte, unterstützten diesen Eindruck. Die junge, schlanke, große,

Weitere Kostenlose Bücher