Schnabel, Andreas
gestellt hatte. »Irgendwer hat diesem armen Kerl, der bei der Polizei ein Verbrechen melden wollte, die Kehle durchgeschnitten und ihn in den Pool geworfen. Ist das so richtig?«
»Sí«, quittierte Ramirez betreten die Aussage des Comisarios.
»Capitán, Sie wissen, dass ich Ihre Arbeit sehr schätze, aber hier ist etwas ganz gewaltig in die Hose gegangen. Wie kann es sein, dass direkt vor Ihrer digitalen Nase unbemerkt ein Mord geschehen ist?«
»Und wie kann es vor allem sein«, ergänzte Berger, »dass auf dem einen Live-Bildschirm eine Leiche im Wasser schwimmt, auf dem anderen aber nicht?«
Der Capitán war völlig zerknirscht. »Das kann ich Ihnen in einer Viertelstunde sicher beantworten. Im Moment sind meine Leute noch dabei, das Anwesen zu kontrollieren, inklusive der Räume, die ihnen zuvor, als Feuerwehrleute getarnt, verschlossen geblieben waren.«
Ein Beamter des SEK -Teams winkte ihnen von der Eingangstür eines Nebengebäudes zu. Sie gingen zu ihm, und er führte sie in eine Art Hotelsuite. Auf und neben dem Bett war alles voller Blut.
»Weiß jemand, wessen Zimmer das hier sind?«, fragte García Vidal laut.
Berger stand neben dem Schreibtisch, auf dem sich ein aufgeklapptes Notebook befand. »Isabell« stand dort mit aufgeklebten Buchstaben über der Tastatur. Außerdem lag die Kladde daneben, die die Geschäftsführerin in der Hand gehalten hatte, als sie mit dem Comisario und ihm sprach. »Ich denke, hier wohnt die Geschäftsführerin der Finca. Zumindest sind das ihre Sachen.«
Marga Santo öffnete einen der beiden Kleiderschränke. »Und hier hängen Frauenkleider.«
»Marga«, bat García Vidal, »rufen Sie bitte den Doc auf seinem Handy an. Wir benötigen ihn hier. Er soll den Blut-Schnelltest mitbringen.«
»Aber damit kann nur die Blutgruppe festgestellt werden, das ist Ihnen klar«, wandte Berger ein.
»Sí, Miguel. Ich will wissen, ob nur der Riese hier umgebracht wurde oder auch seine Chefin.«
»Vielleicht ist sie die Mörderin und flüchtet gerade?«
Der Comisario schüttelte den Kopf und deutete auf den Nachttisch. »Das rosa iPhone dort gehört ihr. Und eine Frau würde doch niemals ohne ihr Handy flüchten.«
SIEBEN
Annmarie schien noch immer Probleme damit zu haben, sich voll verschleiert zwischen vielen Menschen zu bewegen. Sie konnte sich einfach nicht an dieses lächerlich kleine Sichtfeld gewöhnen und taperte, da sich ihr immer wieder der Tschador vor die Augen schob, dementsprechend unsicher herum. Yussuf und sie hatten sich zu einem Spaziergang durch die Altstadt von Oran entschlossen, aber er befürchtete, dass Annmarie durch den Kampf mit ihrem Schleier keine Chance hatte, ihre Umgebung auch genießen zu können. Oran gilt als die schönste und weltoffenste aller algerischen Städte. Die Architektur ist von einem maurischen Einfluss geprägt, und manche Fremdenführer bezeichnen Oran sogar als das Barcelona Afrikas. In Yussufs Unterkunft hatten sie nicht bleiben können, und obwohl dieses Sightseeing erzwungen war, wollte er wenigstens, was die Stadt betraf, bei Annmarie einen guten Eindruck machen. Yussuf war sich nicht sicher, ob sich die Häscher seines Vaters an die Zeitangabe halten würden. Eigentlich hatte er Zeit bis Mitternacht, um den Beweis zu erbringen, dass Annmarie tot war, doch er konnte nicht hundertprozentig einschätzen, ob sein Vater ihm die Scharade abgekauft hatte. Er war sich noch nicht einmal sicher, ob diese Kerle nicht auch ihn in die Wüste schicken würden, wo ihn zweifelsohne ein ähnliches Schicksal erwarten würde wie Annmarie. Bei ihm käme nur noch hinzu, dass es für einige Stammesfürsten eine Genugtuung wäre, einen Al Madgier zu erniedrigen und danach umzubringen.
Hakim und er hatten sich einen wilden Rettungsplan ausgedacht, bei dem, wenn er denn gelänge, sowohl Annmarie als auch er ungeschoren aus der ganzen Sache herauskommen würden. Alles hing nun aber davon ab, ob Hakim seinen Bruder Hamid, den Kapitän einer Fähre, dazu überreden konnte, mitzuspielen. Annmarie wusste nichts davon, sodass sie auch unter Folter nichts aussagen könnte. Yussuf und Hakim hofften, im Falle eines Falles ihrer beider Leben mit dieser Maßnahme retten zu können.
Ein betörender Duft stieg ihnen in die Nase. Er ging von einem großen Kessel auf einem Gasherd am Straßenrand aus, in dem ein Händler etwas kochte. Neugierig schaute Annmarie in den Topf, konnte in der Brühe aber nichts erkennen. »Was wird da gekocht?«
»Ein
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