Schnabel, Andreas
gleißenden Licht entgegenzuschweben?
»Madame Momperen, sind Sie wach?«
Jetzt war sie ganz sicher, im Himmel zu sein. Ein Engel rief sie bei ihrem Namen. Sie zögerte. Moment mal, dachte sie, die Haie kannten meinen Namen auch. Seit wann können Fische reden?
»Madame Momperen, öffnen Sie doch bitte einmal Ihre Augen.«
»Nein, das werde ich nicht machen«, antwortete sie mit schwerer Zunge. »Ich glaube ja doch nicht, was ich dann sehe.«
»Madame, Sie können sie ruhig öffnen. Sie sind hier auf der ›Asturia‹, einer Fregatte der spanischen Küstenwache. Sie sind in Sicherheit.«
Annmarie blinzelte ins Licht und nahm vor sich verschwommen die Umrisse einer Frau in weißem Kittel und blauem T-Shirt wahr. Langsam wurden die Konturen scharf.
»Hallo, Madame, mein Name ist Monica Servantes. Ich bin die Stabsärztin auf diesem Schiff.«
»Hallo.« Sie richtete sich auf und erkannte, dass sie tatsächlich noch am Leben und auf einem anderen Schiff war. »Eine Ärztin auf einem Kriegsschiff? Es heißt doch, wenn Frauen an Bord eines Kriegsschiffes sind, bringt das Unglück.«
»Seitdem es in der spanischen Marine Frauen gibt, ist noch keines gesunken. Außerdem sind wir hier bei der Küstenwache und da sind Frauen schon Tradition.«
Das Lachen schmerzte Annmarie, und als sie sich die Rippen halten wollte, merkte sie, dass ihr linker Arm an den Körper gebunden war. Außerdem kam ein dünner Drainageschlauch aus ihrer Schulter.
»Was ist denn mit mir passiert? Habe ich doch gegen Haifische gekämpft, wie ich es geträumt habe?«
»Zwei unserer Kampftaucher haben Sie aus dem Meer gefischt. Bei dem, was vorher passiert ist, haben Sie sich eine nicht unerhebliche Platzwunde am Kopf, eine Riss-oder Schnittwunde an der Hüfte und eine Rippenfraktur geholt.«
»Und was ist mit dem Arm?«, fragte Annmarie besorgt.
»Das Schlüsselbein ist auch glatt durch. Ich habe es mit einer Platte und vier Schrauben problemlos richten können. Aber nun berichten Sie doch mal, was passiert ist.«
Annmarie erzählte ihre ganze Geschichte, angefangen von ihrem Mallorcaurlaub bis zur abenteuerlichen Flucht und ihrem Schrecken, ihren Entführern erneut ins Netz gegangen zu sein.
Monica Servantes hörte gebannt bis zum Ende zu. »Da haben Sie ja ein Riesenglück gehabt, Frau Kollegin, an einen Menschen wie Yussuf verkauft worden zu sein, so verrückt sich dieser Satz für eine emanzipierte, moderne Frau auch anhören mag. Haben Sie denn eine Telefonnummer von ihm, damit Sie ihm mitteilen können, dass Sie in Sicherheit sind? Das ließe sich von Bord aus bewerkstelligen.«
Annmarie war wie vom Donner gerührt. »So ein Mist. Die hatte ich in eine Tasche des Overalls gesteckt, den die Kerle mir vom Leib gerissen haben.«
»Ich werde nachher einmal unseren Funker bezirzen. Der Major einer großen Armee wird für ihn ja wohl irgendwie zu finden sein.« Dr. Servantes streckte die Arme aus. »So, und nun wollen wir beide mal eine Runde um Ihr Bett drehen.«
Sie half Annmarie beim Aufstehen. Die ersten Schritte taperte sie noch wie eine alte Frau, doch dann ging es schon erheblich besser. »Ist es weit bis an Deck?«
»Zusammengerechnet vielleicht fünfzig Meter. Warum?«
»Dann hake ich mich bei Ihnen unter, und Sie führen mich an die frische Luft. Wenn ich die erst einmal eingeatmet habe, bin ich wieder so gut wie neu.«
Als sie an Deck standen, kullerten Annmarie ein paar Tränen über die Wangen. »Das ist so schön.« Sie genoss es, den Wind in ihren Haaren zu spüren. »Wo fahren wir eigentlich hin?«
»Es geht in Richtung Balearen. Sie werden mit dem Helikopter auf Mallorca abgesetzt.«
»Wo genau?«
Dr. Servantes zuckte mit den Achseln. »Da bin ich überfragt. Aber Sie werden sofort der Polizei übergeben. Die sind schon ganz heiß auf Ihre Geschichte.«
»Dann ziehen Sie mir vorher bloß den Schlauch aus der Schulter. Ich möchte einigen Herrschaften auf Mallorca gern in die Weichteile treten. Dabei stört so eine Drainage.«
*
Es gab wohl nirgendwo auf Mallorca einen blaueren Pool als auf der Finca Amapola.
Dort musste man nicht schon nachts aufstehen, um Liegen in der »Primera Linea« mit seinen Handtüchern zu markieren. Dort hatte jede Suite ihr eigenes kleines Séparee am kristallklaren Wasser, in dem es einem an nichts fehlte. Und wer sich nicht sonnen wollte, der setzte sich einfach an ein schattiges Plätzchen am eigenen Tisch.
Dort war Krauses Lieblingsplatz, denn von dort hatte er alles im Blick,
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