Schnappschuss
unterschwellige Ressentiments, Eifersüchteleien oder so was.«
»Bei unserem ersten Besuch war davon nichts zu spüren.«
»Bleiben Sie dran. Sie gehörte zu den Besten in ihrem Beruf, müssen Sie wissen. Kluger Kopf.«
»Ja, Sir«, sagte Ellen, die dem Super am liebsten erzählt hätte, was sie am Nachmittag im Auto schon zu Challis gesagt hatte: Sohn und Schwiegertochter waren wohl füreinander bestimmt gewesen.
»Constable Sutton, haben Sie noch etwas hinzuzufügen?«
Scobie nickte. »Ich habe mit Mrs. Humphreys gesprochen und –«
»Mit wem?«
»Mit der Frau, der das Haus gehört, vor dem Janine ermordet wurde.«
»Und?«
»Eine ältere Dame, liegt gerade nach einer Hüftoperation im Krankenhaus.«
McQuarrie ruderte mit den Armen. »Was ist denn nun mit ihr?«
»Sie hat ein Patenkind namens Christina Traynor, die im April drei Wochen bei ihr gewohnt hat.«
Im Zimmer wurde es ganz still. McQuarrie legte den Kopf zur Seite. »Haben wir was über sie?«
»Noch nicht.«
»Kümmern Sie sich darum.«
»Ja, Sir.«
Challis löste sich von der Wand und setzte sich neben Ellen an den Tisch. Er wusste, dass McQuarrie bald wieder verschwinden würde. »Sir, vor einer halben Stunde erhielt ich einen Anruf von Meg, Janines Schwester. Sie sagte etwas, das vielleicht bei alldem noch von Bedeutung sein wird.«
McQuarrie schaute verärgert. »Als da wäre?«
»Wussten Sie, dass Janine Autofahren hasste?«
McQuarrie schien verwirrt. »Ich versteh nicht –«
»Sie hatte vor allem eine nahezu krankhafte Angst davor, rechts abzubiegen, und wann immer sie irgendwohin fahren musste, legte sie sich Fahrtrouten zurecht, bei denen sie zumeist links abbiegen konnte, was bedeutete, dass sie auch für kurze Strecken oft große Umwege in Kauf nahm. Wussten Sie das nicht? Hat Ihnen Robert nichts davon erzählt?«
»Ich glaube, er hat mal so etwas erwähnt«, meinte McQuarrie ausweichend. Dann erhellte sich sein Gesicht. »Aber verstehen Sie denn nicht? Alles deutet doch darauf hin, dass Janine die falsche Person am falschen Ort zur falschen Zeit war.«
»Allerdings gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass Mrs. Humphreys die richtige Person oder ihr Haus das richtige Haus sein könnte«, gab Challis zu bedenken.
»Vielleicht ist man ihr gefolgt«, fügte Ellen an.
»Halten Sie die Augen offen«, sagte McQuarrie, »mehr verlange ich nicht. Irgendwas Hübsches über die Tatwaffe?«
»Es wurden keine Hülsen gefunden«, antwortete Challis, »die Ballistik hat allerdings bestätigt, dass der Schütze eine 9-Millimeter-Automatik benutzt hat.«
Der Untersuchungsbericht war gerade erst eingetrudelt. Die üblichen Einzelheiten, zwei 9-mm-Projektile, deren Kerben und Verwindungen auf eine Browning hindeuteten. »Wenn unser Schütze ein Profi war«, fuhr er fort, »und danach sieht es aus, dann hat er Handschuhe getragen und Waffe, Handschuhe und äußere Bekleidung so schnell wie möglich beseitigt.«
»Nicht notwendigerweise«, ging McQuarrie mit Nachdruck dazwischen. »Wir haben es hier doch wahrscheinlich nicht mit Raketenwissenschaftlern zu tun.«
Challis sah seinen Vorgesetzten ein paar Herzschläge lang an. »Gut möglich, Sir.«
»Haben Sie schon mit allen gesprochen?«
Man trifft doch nie alle an, dachte Challis. »Das werden wir noch.«
»Also los«, sagte McQuarrie, stand auf und hinterließ auf dem Weg zur Tür eine schwache Duftnote von Aftershave. »Ich möchte umgehend über alles Wichtige informiert werden. Ich denke, es ist am Vielversprechendsten, wenn wir uns auf die Nachbarin und das Patenkind konzentrieren.«
Nachdem McQuarrie das Zimmer verlassen hatte, trat Challis ans Fenster, sah hinaus und wartete. Ein paar Minuten später überquerte McQuarrie den Parkplatz und ging zu seinem Privatwagen, einem Mercedes, wobei er unterwegs noch Gelegenheit fand, zwei Constables zu maßregeln, die gerade auf dem Weg zu ihrem Dienst-Transit waren. Einer der beiden reckte McQuarrie den Stinkefinger hinterher.
Nachdem nun die Welt wieder halbwegs in Ordnung war, kehrte Challis an den Tisch zurück und sagte: »Der Mann ist mal wie ein Vater zu mir gewesen.«
Dann wartete er. Würden die beiden anderen seine Bemerkung für unpassend halten? Nein, sie grinsten. »Dieser Job nimmt noch ungeahnte Dimensionen an, Chef«, sagte Scobie.
Challis nickte. »Wir werden auf ein paar empfindliche und einflussreiche Zehen steigen, also gehen wir streng nach Vorschrift vor. Der Super wird jederzeit und überall seinen Senf
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