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Schnappschuss

Schnappschuss

Titel: Schnappschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Nerven verloren. War wie gelähmt. Ihr Sohn hat mir das Leben gerettet.«
    Mrs. Plowman sah ihn an und gierte nach weiteren Wortmalereien. »Davon stand nichts in seinen Unterlagen.«
    Vyner winkte ab. »Typisch Sammy. Seiner Meinung nach machte er nur seinen Job, mehr nicht. Ich wollte das melden, damit er eine Belobigung erhielt, vielleicht sogar einen Orden, aber davon wollte er nichts wissen. ›Kumpel, ich hab da nicht lange drüber nachgedacht‹, meinte er zu mir. ›Du und die anderen Jungs sind meine Familie, solange ich nicht zu Hause bin.‹«
    Mrs. Plowmans Hand lag warm, klamm und traurig in Vyners Hand. »Mir tut es richtig weh, dass sich Sammy bei seinem letzten Heimaturlaub mit seinem Vater gestritten hat. Sie haben kein Wort mehr miteinander gesprochen, und daran zerbricht nun mein Mann langsam.«
    Vorsichtig, ermahnte sich Vyner. Das Letzte, was er wollte, war, dass diese blöde Kuh ihren Mann mit hineinzog. Ehemännern und Vätern waren solche Trostgeschichten schlechter unterzujubeln als Gattinnen und Müttern. Er tätschelte ihr das dicke Handgelenk. »Sammy hielt große Stücke auf seinen Vater – auf Sie beide, ehrlich gesagt. Er hat die ganze Zeit nur von Ihnen gesprochen. Er hat zu Ihnen aufgeschaut. Ich kann mich nicht erinnern, dass er auch nur ein böses Wort über Sie beide hat fallen lassen.«
    Mrs. Plowmans Gesicht überzog sich mit tränenfeuchter Freude. »Sie haben mir in den letzten Tagen viel Freude gemacht.«
    »Da bin ich aber froh«
    »Das mit der Armee ist nicht zu fassen«, fügte sie hinzu. »Eine Schande.«
    »Die kann sich doch keine negativen Schlagzeilen leisten«, sagte Vyner. »Natürlich ist Sammy als Held gestorben, aber das wollten die nicht an die große Glocke hängen. Siebzig Prozent der Bevölkerung denkt doch, dass Australien niemals hätte Friedensstreitkräfte in den Irak schicken sollen.«
    Wie in der Herald Sun vom Vortag zu lesen stand. »Das meine ich nicht«, sagt Mrs. Plowman ernst. »Ich meinte, eine Schande, wie die Armee Sie behandelt hat, Richard.«
    Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte Trevor Vyner, wer Richard war. Er nahm sich ein Biscotto – kein billiger Supermarktkram, nein echt italienische Biscotti. Earl Grey gab es auch, den er hasste, aber der gehörte nun mal zum Lebensstil in dieser geldschweren Ecke der nordöstlichen Vororte von Melbourne.
    »Tja, so ist das eben«, sagte er.
    Er war unehrenhaft entlassen worden, weil er einen Offizier niedergeschlagen hatte – jedenfalls glaubte das Mrs. Plowman. Der Offizier war ein Rüpel gewesen, der es auf Sammy abgesehen hatte, auf Sammy, der sich vor einen jüngeren Burschen gestellt hatte, an dem der Offizier immer etwas herumzukritteln gehabt hatte. Sammy, der selbstlose Held. Sammy, der beschützerische ältere Bruder für die neuen Rekruten. Sammy, der in diesem Wohnzimmer in Templestowe wieder auferstand.
    »Diesem Druck hält nicht jeder stand«, fuhr Vyner fort. »Die Hitze war unbeschreiblich, die Sandstürme, diese arabischen Fanatiker, die die ganze Zeit auf einen schossen, kein Wunder, dass da so mancher durchgedreht ist. Aber Sammy war immer für uns da. Bis eines Tages dieses totale –«, »Arschloch«, wollte er sagen und tat das auch, »Arschloch von Lieutenant ihm fast die Haut vom Leib gezogen hätte, nur weil er einen Burschen getröstet hatte, der tränenüberströmt in ein Schützenloch gekrabbelt kam. Das war so was von ungerecht, und da hab ich ihm eine verpasst.«
    Mrs. Plowman schüttelte den Kopf. »Und dann hat man Sie entlassen? Das ist doch eine Schande, aber wirklich.«
    Vyner seufzte. »Ich glaube, ich habe das Richtige getan, auch wenn es ein Akt der Gewalt war, aber jetzt habe ich nun mal einen schwarzen Fleck auf der Weste, so was hängt einem nach, macht einem die Arbeitssuche schwer, und Zeugnisse habe ich auch keine …«
    »Einen Augenblick«, sagte Mrs. Plowman bestimmt und ging aus dem Zimmer. Vyner erlaubte sich ein kleines Grinsen, dann bemühte er sich, den Anfang der Sieben-Uhr-Nachrichten im Fernseher der alten Schachtel mitzukriegen, das leise in einem kleinen Eck am anderen Ende eines Torbogens in dem offen gestalteten Raum vor sich hin murmelte. Er schnappte die Wörter »anonymer Anrufer« und »die Polizei bittet« auf, und seine Haut wurde eiskalt. Gleichzeitig klingelte sein Handy. Eine SMS, doch bevor er sie lesen konnte, kehrte Mrs. Plowman schon mit ihrem Portemonnaie zurück. Sie war fest entschlossen, einem Freund ihres

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